laut.de-Kritik

Balsam für Fan- und Kritiker-Seelen.

Review von

Skinny Finsta ist ein anachronistischer Typ. Das beweist nicht nur die frostige Albumaufmachung zum Sommeranfang, sondern vor allem seine innige Verbundenheit zum Musikstandort Tennessee vergangener Tage. "Memphis-Hip Hop hat eigentlich alles schon in den 90er Jahren eingeführt, was wir heute im Mainstream-Pop hören", berichtete er bei 'Arte Tracks' über den späten Sieg des Abseitigen. "Die Leute in Memphis haben den Blues. Das haben sie auf ihre Musik übertragen, und deswegen haben die Leute dort eine sehr düstere, eine sehr schreckliche Musik gemacht."

Seine eigene Schwermut dominiert auch "Skinny's Zwielichtiger Winter", selbst wenn er in "Zaza" skandiert: "Ich hab' Wut in mein' Bauch!" Als einzige Tristesse sticht vor allem "Aurora" heraus. Produzent Bloody9ine dreht Yung Leans "Ginseng Strip 2002" noch zwei Depri-Drehungen weiter und wechselt hoch- und tiefgepitchtes Wehklagen des Original-Samples miteinander ab. "So mancher Mane wollte weit hinaus, aber liegt jetzt in einer Box aus Holz", greint der Rapper haarscharf am Kitsch vorbei. Dass er die Balance hält, liegt auch daran, dass er stets vermeidet, stimmlich ins Sentimentale zu kippen.

Vorbildlich gelingt es Skinny Finsta beim vorliegenden Projekt zudem, seinen Songs die passende Visualisierung zu verpassen. Das "Aurora"-Video besticht etwa in seiner Einfachheit. Mit Grillz, Basecap und schulterlangem Haar schlendert der Rapper als optische White-Trash-Version von Olli Schulz im Unterhemd über eine Wiese. Automatisch ergänzt der Zuschauer die Trailerpark-Siedlung hinter dem Kameramann, obwohl der Clip wahrscheinlich eher in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern entstanden sein dürfte als im Hinterland der Vereinigten Staaten.

Noch bemerkenswerter fällt "Orbit" aus, das unter rauschender Grundspannung eine Hotelnacht skizziert. Regisseur Paul Henschel kreiert einen expliziten Erotikthriller alter Schule, bei dem der Hauptakteur das Kokain schon mal direkt aus der Analrinne snifft. Neben Sexploitation erinnert das Video auch an Redneck-Horror à la "Beim Sterben ist jeder der Erste", wenn Skinny Finsta als zweite Rolle einen Hinterwäldler spielt, der tierisch die Witterung einer toten Frau aufnimmt. Vom Abgründigen wendet er sich schließlich wieder ab, indem er auf amüsante Weise die Dreharbeiten reflektiert.

Skinny Finsta schafft es nicht durchweg, dieses Niveau zu halten. Das fluffig produzierte "Spiel Spiel" schreit etwa nach LGoony, wartet dann aber mit seinem reichlich uninspirierten Labelkollegen Loading auf, dem höchstens der Amateur-Charme eines Hustensaft Jünglings anhaftet. Zudem pflegt er einen MoneyBoy'esken Umgang mit der deutschen Sprache, wie "AHS Anthem" zeigt. Der aufgeräumte Eurothug ("Leben Nicht Leicht"), der mit 187-Grobschlächtigkeit knurrende Batdal54 ("Batzen") und der aus Haiytis "Nightliner" und "ATM" bekannte GPC ("Spieler & Ratten") überzeugen schon eher.

"Wir behandeln es mit großem Respekt, mit großer Ehrfurcht", bekundete 'der deutsche King of Memphis' im Arte-Magazin. Wenn ihm ein Vorwurf zu machen wäre, dann vielleicht die zu ausgeprägte Hochachtung für seine Vorbilder. Skinny Finsta bedient sich an Flow, Motiven, mitunter der Wortwahl seiner Idole, doch eine wirkliche deutsche Adaption des Stils kristallisiert sich dabei nicht heraus. Auf der anderen Seite wirkt ein leidenschaftlicher Künstler neben all den Rappern, die keine Freude an ihrem Job haben oder ihn gar offen verachten, wie Balsam für die Fan- und Kritiker-Seelen.

Trackliste

  1. 1. Zaza (mit Brick Wolfpack)
  2. 2. Aurora
  3. 3. Orbit
  4. 4. Spiel Spiel (mit Loading)
  5. 5. Leben Nicht Leicht (mit Eurothug)
  6. 6. Neckarcoast
  7. 7. Batzen (mit Batdal54)
  8. 8. Blut
  9. 9. Spieler & Ratten (mit GPC)
  10. 10. AHS Anthem (mit Loading)
  11. 11. End 2 Ende Freestyle (mit Wena41)

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3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 6 Monaten

    " der aus Haiytis "Nightliner" und "ATM" bekannte GPC ("Spieler & Ratten") überzeugen schon eher."

    Den kann (sollte?) mensch schon von vorher kennen, ist immerhin seit den 00er-Jahren unterwegs und viel mit 4.9.0. am Hut. Shameless self plug: https://www.youtube.com/watch?v=fPxN9VVdQd8

  • Vor 6 Monaten

    Symphatischer Typ und man spürt die Leidenschaft für diese Musik einfach wie bei keinem anderen Rapper in Deutschland.

    Dennoch, nüchtern betrachtet hat der wenig gute Tracks zustande gebracht und ist eher semi talentiert und dass ist vermutlich noch viel zu nett ausgedrückt. Sein technisches können geht halt wenn man ehrlich ist nicht über Takt treffen hinaus flow oder ähnliches sucht man vergeblich.
    Lebt halt wirklich nur vom Charisma.

  • Vor 6 Monaten

    Respekt für sein Memphis Knowledge. Aber ich kann mir die Musik keine 3 Minuten anhören, selbst die Sachen mit DJ Zirk klingen so verhunzt für mich. Sinnlose Lines, Stimme ganz komisch, alles klingt zu dünn, generell kein Vibe der da aufkommt. Dieser ganze dreckige Flavour den Memphis Tapes haben, der hierzulande z.B. vom 44187 Camp geliefert wird/wurde (Ruhe in Frieden Mr. 187), das fehlt einfach hier komplett.