laut.de-Kritik
Für alle, denen Pandas zu weich sind.
Review von Emil DröllKaum zu glauben: "Grizzly" ist erst das dritte Studioalbum von Slaughter To Prevail. Seit dem Vorgänger "Kostolom" hat sich allerdings einiges verändert – geografisch wie musikalisch.
Nach ihrer Flucht aus Russland lebt die Band mittlerweile in Florida. Der Umzug schlägt sich nicht nur auf ihre Arbeitsbedingungen nieder, sondern auch in ihrer Musik. "Russian Grizzly In America" nimmt das neue Kapitel wörtlich. Der Track beginnt mit dem programmatischen Satz: "Oh, it's gonna be fucking brutal" Spoiler: Wird's. Zwischen messerscharfen Riffs und einem Wechselspiel aus Squeals und Growls exerzieren STP ihr Markenzeichen in Reinform. Die Lyrics? Weitgehend russisch – und das ganz bewusst. In einer Szene, in der viele auf Englisch um Anerkennung kämpfen, bleibt Frontbär Alex Terrible seiner Muttersprache treu und das sorgt für Atmosphäre, Wiedererkennungswert und Authentizität.
Mit "1984" ist auch eine bereits 2022 veröffentlichte Single auf dem Album gelandet – die bislang politischste Aussage der Band. In gewohnt brutaler Form richtet sich der Song gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Terrible, der nach einigen ideologischen Entgleisungen auf Social Media zu Recht Kritik einstecken musste, findet hier erstmals Töne, die sich – zumindest textlich – reflektierter und positionierter zeigen.
Die Orwell-Anspielung ist kein Zufall: "Das Gewissen ist tot", "Bitte beende die Gewalt" – Worte, die im Kontext von Growls, Blastbeats und brachialer Produktion überraschend kraftvoll wirken. Musikalisch bleibt "1984" unruhig, zerrissen, angespannt – was auch zum Thema passt. Zwischen den immer wieder aufflackernden Pinch Harmonics und dem flirrenden Tremolo-Picking entstehen Spannungsbögen, die selten zur Ruhe kommen. Terribles Stimme bewegt sich zwischen gutturaler Tiefe, fast Rap-artigen Spoken Words und hysterischem Gekeife. Kein Song für die Charts – aber ein Statement.
Weitere bereits bekannte Singles finden ihren Platz: "Viking" macht seinem Namen alle Ehre – stampfende Rhythmen, Schlachtfeld-Atmosphäre, sirenenhafte Gitarrenleads. Ein Song wie ein Kriegsfilm, bei dem der Abspann niemals kommt. Die russischen Lyrics knurren, bellen, brüllen über dem Soundteppich, der sich im Refrain in einen finalen Aggressionsausbruch ergießt. Inhaltlich bleibt das flach, klanglich walzt der Track alles nieder.
"Lift That Shit" glänzt mit Bassdrum-Gewittern, die selbst Lorna Shore Konkurrenz machen. "Conflict" hält das Energielevel oben und bietet echte Variation. Terrible zeigt mehr stimmliche Bandbreite, spielt mit verschiedenen Registern und setzt auf Überraschungsmomente: Wo eben noch geprügelt wurde, herrscht plötzlich tonnenschwere Stille – bevor dann eine blechern klingende Snare wie eine rostige Tonne das Signal zur nächsten Attacke gibt. Der Song lebt vom Kontrast.
Ein Highlight ist definitiv "Behelit", nicht nur für Berserk-Fans. Der Track beginnt mit monströsem Spoken-Word über düsteren Streichern. Was folgt, erinnert an Rammsteins "Mein Herz Brennt" – nur eben zehnmal brutaler. Terribles Gesangsleistung ist hier auf dem Höhepunkt: Der Wechsel zwischen Klarstimme und brutaler Verzerrung erfolgt teils mitten im Wort. Textlich ein innerer Kampf – klanglich ein Exorzismus.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Opener "Banditos". Eine Reizüberflutung ab der ersten Sekunde, gepaart mit theatralischem Background. Auf "Imdead" holen sich Slaughter To Prevail Ronnie Radke (Falling In Reverse) mit ins Boot. Dem Zuwachs überlässt Terrible so ziemlich alles, dem irgendeine Melodiösität beiwohnt. Selbst übernimmt er die aggressiven Parts, was dann noch kurz auf "Babayka" abfärbt, aber schnell von isolierten, rituell wirkenden Vocals unterbrochen wird.
Mit "Kid Of Darkness" liefern STP einen weiteren atmosphärisch dichten Song, während "Song 3" ein echtes Crossover-Experiment wagt: Unterstützung kommt von Babymetal. So clashen zwei völlig unterschiedliche Gesangswelten aufeinander – und es funktioniert gewohnt gut. Der Kontrast aus japanischem Kawaii-Metal und Slaughter To Prevails brutaler Gewalt ergibt einen der ungewöhnlichsten und gleichzeitig einprägsamsten Momente des Albums.
Obwohl das Intro von "Koschei" nur kurz ausfällt, sticht die Akustikgitarre hier sehr aus dem STP-Kosmos heraus. Auch über die restlichen drei Minuten zeigt sich der Track überraschend milde – eine Ausnahme, die mehr auf Heaviness statt Brutalität setzt. Bei "Rodina" folgt die Außenseiter-Zugabe: Akustikgitarre, klarer Gesang, Theatralik in ihrem besten Sinne, ohne auf die bekannte Härte zu verzichten.
Unterm Strich ist "Grizzly" ein gereiftes, bretthartes Deathcore-Unikat, das ohne jede Verschnaufpause daherkommt. Slaughter To Prevail liefern ein brutales, hochproduziertes Album, das auf Livebühnen zur Naturgewalt mutieren dürfte. Wer das Ding in einem Stück durchhört, braucht entweder sehr gute Boxen oder einen sehr schlechten Tag.
6 Kommentare mit 10 Antworten
absoluter müll. plakativer brüllaffenmetal für sigmatierchen die sich richtig hart fühlen möchten
Bei Slaughter to Prevail ist es witzigerweise genau das. Boah, guck mal wie epic der Alex kreischbrüllne kann! Guck mal seine Mukkis an! Russland, extrabrutal!
Dieser Kommentar wurde entfernt.
Wieseleien werden gelöscht, bitte die Regeln beachten
Das mit den Sternen kommentier ich hier garnicht erst, da folgt Laut selten einer Logik.
Aber was ein Produktionsverbrechen dieses Album ist. Maßlos übersteuert bis zur Snare. So broootal das mal wieder kein Moment hervorsticht. Was man raushört ist generischster Slamcore, der, keine hohe Kunst ist, aber trotzdem von genug anderen spaßiger serviert wird. Hier geht es eben vor allem darum, wie badass alles ist.
PS: Beim Ende von "Imdead" kommt dann noch das obligatorische Ronnie Radke-Siegel. Ernsthaft ein Feature mit einem Mann, der bestenfalls als Mannskind und Szeneclown, und schlimmstenfalls als manipulativer Creep und Frauenschläger bezeichnet werden kann. Ab in die Tonne mit dem Ding.
Ein Typ, der Incel-mäßig über Frauen urteilt, früher mit Rechten abgehangen und sich ein paar edgy Tattoos tätowieren lassen hat und ein schlimmstenfalls manipulativer Creep und Frauenschläger: Haben sich zwei richtige gefunden.
Hm erfreulich die Höchstwertung in dieser Sparte zu lesen, aber da wär auch schon noch Platz für das ein oder andere Album gewesen
War das nicht der Fronter, der mit einem Cover-up irgendwelche edgy Tattoos überkleben wollte und so Incel-mäßig über Frauen urteilt?
Genau der.
Ah. Ja dann kann das ach-so-böse Gebrüll auch gerne ungehört bleiben. Ich mag viele Spielarten von Metal aber in dieser Deathcore uuuultra-brutal-Suppe tummeln sich echt gruselige Gestalten. Alle so dermaßen maskulin, da verkriecht sich mein Geschlecht vor Ehrfurcht. ...
Genau deswegen mache ich um Deathcore eher einen großen Bogen, obwohl es dort einige beeindruckende Vokalisten gibt.
"A black sun is moving towards us."
Ok?
Da bleibt der Olaf vorm Quick Stop mit unvergessenen Zeilen wie "My love for you is like a truck, Berserker / Would you like some making fuck, Berserker" wohl weiterhin der einzig ernstzunehmende Russian Grizzly in America, was?
https://www.youtube.com/watch?v=kCmI-ZrnKf0
https://www.youtube.com/watch?v=y5T96LHnEWw
Dabei gibt es in Russland nicht mal Grizzlys. Eher müsste es Kamtschatka-Braunbär heißen.
Mehr muss man nicht wissen …
https://www.vice.com/de/article/slaughter-…