laut.de-Kritik
Umwälzend wie Teenager im Che Guevara-Shirt.
Review von Sven KabelitzSpannung entsteht aus Gegensätzen. Musik lebt häufig von einem hin und her schwingenden Pendel aus Lärm und Stille, Wut und Sanftmut. Eigenschaften, die auch Sleigh Bells' viertes Album "Jessica Rabbit" in sich trägt. Das Ergebnis klingt jedoch wie Avril Lavigne, die endlich mal so richtig böse sein will.
Alexis Krauss und Derek Miller sind eigentlich Pop von ganzem Herzen. Damit aber niemand ihrer coolen Freunde und Hörer davon Wind bekommt, gilt es, den mit möglichst viel destruktivem Lärm und Bassgewummer zu zerflexen. Verlaufender Mascara deutet in Videos Tiefgründigkeit an, wo keine ist. "And when you die / I wanna die, I wanna die with you / And lay us down for good." Braazz, rababamm. Das Ergebnis ist so umwälzend wie Teenager, die Che Guevara-Shirts tragen, weil der mal irgendwas mit Revolution gemacht hat. Der war voll so links, bestimmt auch romantisch und sicher lieb zu allen Tieren. Viva La Reproduccion.
Sleigh Bells beschreiten auf "Jessica Rabbit" möglichste viele Pfade auf einmal, gehen aber keinen von ihnen auch nur annähernd bis zum Ende. "I Know Not To Count On You" startet gar als Vengaboys-Titel. Statt nun wenigstens munter etwas Debiles wie "Boom boom boom boom / I want you in my room" anzustimmen, wechseln sie nach diesem Auftakt lieber in die sichere Umgebung einer schnell vergessenen Folk-Ballade. Alles bleibt eine substanzlose Versprechung. Wir singen von großen Dingen. Von wichtigen Dingen. Dingen, die euch und uns bewegen. DINGE!
Dieser Logik folgend, verpulvert Alexis all ihr Herzblut für Zeilen wie "I was dreaming of a dead-end street that we used to run down" ("Lighting Turns Sawdust Gold") und "Bombs don't compare to the trouble you bring me" ("I Can't Stand You Anymore"). Spürbar liegen ihr diese tiefschürfenden Aussagen (DINGE!!!) am Herzen.
Aus durch den PC geschleuderten Gitarren nach Spillsbury-Art, Kaugummi-Synthesizern aus den 1990ern und scheinwütenden Beats entsteht eine glasklare Ästhetik, die jede Emotion auf Abstand hält. Eine Umgebung, in der nur Blechdosen-Rock ("Throw Me Down The Stairs"), Schlumpf-Industrial ("Unlimited Dark Paths"), Schnurtelefon-Joan Jetts ("I Can't Stand You Anymore") oder eine Homunkulus-Lana Del Rey ("Loyal For") die Chance zum Überleben haben. Sleigh Bells' "Jessica Rabbit" muss man jetzt nicht zwingend mögen. Man sollte es eher zwingend meiden.
3 Kommentare
Soooo schlecht ist das Album nun auch wieder nicht, von mir gibt's drei Punkte. Sleigh Bells sind halt immer noch Sleigh Bells. Laut, doof, aber halt irgendwie auch ziemlich unterhaltsam.
eigentlich klingt das ziemlich geil ich glaube, ich höre mal rein
Das Album ist fetter, brachialer Laut-Hör-Shit!
...und unbedingt geil!
Go f*** urself!