laut.de-Kritik
Zwischen Headbanger's Ball und Kopfnicker-Cool.
Review von Matthias MantheSchon komisch, wie behäbig Labels bis heute auf manchen Webhype reagieren. Zur Sleigh Bells-Hochzeit 2009, als das Noise Pop-Duo in sämtlichen relevanten Gazetten und auf allen größeren Entdecker-Festivals stattfand, gab Sony keinen Mucks. Selbst Mitte 2010 überließ der Major das Indie-Sommerthema des Jahres noch ganz der Konkurrenz von der Best Coast.
Jetzt also legt man uns das ungleiche Gespann aus Ex-Post-Hardcore-Gitarrenspezi und Ex-Girlgroup-Sängerin als Herbstplatte ans Herz - und tut den Brooklyner Indie-Darlings damit ziemliches Unrecht an. Weder bieten die prägnanten Riffs vom früheren Poison The Well-Member Derek Miller genug Tiefgang für die gemeine Herbsttristesse noch lädt die stets adrett konfektionierte Alexis Krauss mit ihrer zuckersüßen Stimme zum melancholischen Stelldichein.
Nein, wirklich alles auf dieser kurzweiligen Abhandlung über Krach-trifft-Tweepop-auf-Crunk-Beats schreit geradezu "kontemporär" und "Sommerzeit": "Tell 'Em" als Merry-go-lucky-Chant im Bassdrum-Kreuzfeuer ebenso wie die auf Hip Hops Initialien gegründeten Stücke, für die "Kids" repräsentativ steht. Es wird herrlich geclappt und mit singenden Riffs hantiert, so dass sich zwischen Headbanger's Ball und Kopfnicker-Cool einige Jugendkulturen mitgenommen fühlen dürften.
Das macht jede Menge Spaß und hat für einige Durchläufe durchaus Neuwert, auch wenn Krauss' Ah-ah-ahs und Oh-oh-ohs bald recht routiniert und einförmig daherkommen. Gleiches gilt für Millers ewig übersteuerte Saitenarbeit bzw. die programmierten LoFi-Bassbombardements. Für den Herbst unter zehn Grad Außentemperatur halten Sleigh Bells dann letztendlich aber nicht genügend Substanz bzw. Detailfülle bereit.
Die kathartischen 2min-Ausbrüche wirken nämlich in ihrem überzeichneten Rock'n'Roll-Gestus zumeist ähnlich comichaft wie die Werke der Noisecore-Formation The Locust. Oder eben, man höre den Titeltrack, wie Wrestler-Einlaufhymnen. Löbliche Ausnahme: der von gröberen Dissonanzen befreite Acidfolk-Song "Rill Rill", zu dessen rostig-süßem Poprefrain sicher auch weit nach Sommersonnenwende gut schunkeln ist. Hier setzen Miller/Krauss einen gelungenen Kontrapunkt zum vorherrschenden Masterplan, eine unwirkliche Stimmung zwischen Cuteness und Kaputtheit zu etablieren. In der Jahreszeitenwertung: Sommer-4/5, Herbst-3/5.
2 Kommentare
*cho* *chot* macht der hype-train und ist nun in hipsterville angekommen.
nun ja, drei punkte gehen klar. war recht intressant beim ersten hören, aber das album hat ungefähr so viel tiefe wie eine hühnerbrust. aber auch hühnerbrüste will man manchmal auf dem menüplan stehen haben.
Jahreszeitenwertung!