laut.de-Kritik
Neo-Soul, R'n'B, Hip Hop und sinnlicher Funk.
Review von Anastasia HartleibSie hat es schon wieder getan. Quasi über Nacht veröffentlichte Solange ihr viertes Album "When I Get Home". Keine große Promo-Phase, keine extra Goodies, um die Fans anzuheizen, nur einige wenige kryptische Anmerkungen. Aber was beim Vorgänger schon funktionierte, sollte auch diesmal nicht schief gehen.
Mehr als den Überraschungseffekt teilen "A Seat At The Table" und "When I Get Home" übrigens nicht. Solange hat ihre Wut hinter sich gelassen, ihre Message in die Welt getragen, sie wurde gehört. Jetzt ist es Zeit, sich auf die Musik zu konzentrieren. Das Album sprudelt über vor Kreativität und Experimentierfreude. Alles für die Kunst.
"Things I Imagined" spielt mit der unterschiedlichen Betonung des Satzes "I saw things, I imagined", während um ihn herum sanfte, elektronische Blips und Blops plätschern. Gegen Ende entfaltet der Song eine etwas orchestralere Wirkung, bevor er in ein kurzes Interlude-Wirrwarr übergeht. Der Opener von "When I Get Home" bietet in vielerlei Hinsicht einen guten Ausblick auf das Album. Kurze Songs, die teilweise eher Skizzen gleichen, spielen mit verschiedenen Sound-Ideen, manchmal getrennt von Interludes, immer mit Gedichten bedeutender afroamerikanischer Lyrikerinnen versehen. Während einige Songs fast nahtlos ineinander übergehen, bilden die Interludes Cuts zwischen musikalischen Ideen, fast so, als würde jemand den Radiosender wechseln.
Soundtechnisch experimentieren ihre Produzenten mit Sphären und Ebenen. Auf der Basis von warmen, soften R'n'B-Klängen driften die Arrangements mal in Richtung Funk, mal in Richtung Hip Hop ab. Kommen in "Down With The Clique", in dem Tyler The Creator übrigens die Piano-Anschläge spendiert, soulige Noten zum Vorschein, ist "Way To The Show" deutlich im heißen, tropfenden, sinnlichen Funk verortet.
"Stay Flo" ahmt den in den 90ern und frühen 2000ern gängigen Pop/R'n'B-Mix nach, während "Almeda" tatsächlich trappige Elemente verarbeitet. Was durchaus auch an den Feature-Gästen liegen könnte, The-Dream und Playboi Carti. Neo-Soul gibt's auch noch auf die Ohren, zusammen mit, Überasschung: Gucci Mane! "My Skin My Logo" vibet irgendwo zwischen D'Angelo, Outkast und The Roots, nur eben mit 2010er Slang. Mag absolut verwirrend anmuten, klingt in der Umsetzung aber überraschend gut.
Auch wenn Solange jede Menge Einflüsse verarbeitet, klingen die Songs ihres vierten Albums doch alle nach ihr. Jeder Song trägt ihren unverkennbaren Stempel, sanft und organisch, aber immer unter Spannung. "When I Get Home" fühlt sich frei an, irgendwie anders. Die Texte erinnern mehr an kryptische Gedichte, als an klassische Songtexte, der Inhalt ist eigentlich nicht so wichtig, es geht um die Wirkung der Vortragsweise. Natürlich finden sich über das Album verteilt immer wieder deutliche Verweise in die afroamerikanische Kultur des amerikanischen Südens und zu ihrer Heimatstadt Houston. Schließlich macht Solange "Nothing Without Intention". Es geht um das Gefühl, nach Hause zu kommen: Hier kann ich sein, wer ich bin. Hier kann ich loslassen.
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