laut.de-Kritik

Gary In The Sky With Diamonds.

Review von

Das Leben ist kein Ponyhof. Eine Weisheit, die auch für einen Star des Kalibers von Spongebob Schwammkopf gilt. War seine musikalische Karriere bisher vom Glück geküsst, kam es während der Tournee zum Gold-veredelten "Bobstar – Das Total Abgedrehte Album" zu einer ernsthaften Krise.

Vom Ruhm übermannt, griff der gelbe Schwamm mehr und mehr zu Ahoi-Brause und Dreh-und-Trink. Zur Eskalation kam es ausgerechnet auf der Bühne des Frankfurter Ponyhofs. Nach fünf Minuten des Programms setzte sich der berauschte Sänger breit grinsend und geistesabwesend vor das Publikum und verweigerte jegliche weitere Aktion. Die Spannungen innerhalb der Band und der massive Süßwarenkonsum wurden über Nacht offensichtlich. Schlagzeuger Patrick Star, selbst von Cola-Schlangen abhängig, verließ vorübergehend verärgert die Band, kehrte aber nach einem erfolgreichen Entzug im Sandy-Cheeks-Center wieder zurück.

Doch aus Pein, Schmerz und Verzweiflung erwächst nicht selten große Kunst. Wer kein Leid erfährt, hat keine guten Geschichten zu erzählen. Nicht verwunderlich, dass "Mein Gedudel" in seinen Texten einen deutlich psychedelischeren Ansatz als sein Vorgänger verfolgt. "Sieben Augen hat das Monster / Und es rennt mir hinterher / Ich glaub', dass es mich für knusprig hält / Und ich fürchte mich sehr / Irgendetwas muss ich machen, verdammt / Ich will kein Monsterburger sein / Da bleib' ich stehen, hol' die Seifenblasendose raus / Puste los und hüpf' hinein."

Die Geschichte des Longplayers setzt an der Stelle des dunkelsten Moments ein. Der gelbe Sänger übersetzt sein Leben in Kunst. Die Suche nach dem verlorenen gegangenen Freund Patrick Star macht er zum Hauptmotiv des Konzeptalbums, das aber auch Raum für weiterführende Geschichten bietet.

Die musikalische Bandbreite des Schwamms in brauner Hose umfasst auf "Mein Gedudel" Pop, R'n'B, Dance, Folk, Samba, Hip Hop und jede Menge Seemannsgarn. Der fröhliche Zuckerwatten-Pop des Titelsongs lässt einen die schwere Entstehungsgeschichte des Albums vergessen. "Ich sing' es morgens schon im Bad / Ich sing' es wenn ich Burger brat / Sogar wenn ich ausrutsch' und trudel' / Flöt' ich im Falle mein Gedudel."

Im Magen eines Monsters findet sich anstelle Patricks leider nur Mr. Krabbs, der übernimmt jedoch zugleich im Shanty "Krosse Krabbe!" die Leadvocals. In "Mampf Mampf Mampf" macht Spongebob als Drill Instructor schnell klar, wer das eigentliche Sagen hat. "Mampf mampf mampf schluck und mampf mampf Cola – Ah! / Mampf mampf beiß schluck und stopf sabber atmen / Mampf mampf mampf schluck und mampf mampf Cola - Ah! / Mampf Mampf beiß und schluck und stopf sabber rülps - gut." Vogonenlyrik vom Feinsten.

Im Dance-Pop "Kein Hack mehr da!" stachelt Spongebob zum Beef mit Vegetariern und Veganern an. "Ich krieg' Furunkel / Kein Hack mehr da / Die Stadt wird dunkel / Kein Hack mehr da / Ade, schöne Welt / Kein Hack mehr da / Alles zerfällt / Kein Hack mehr da."

Die rasante künstlerische Weiterentwicklung zwischen "Bobstar – Das Total Abgedrehte Album" und "Mein Gedudel", sicherlich auch dem Einsatz des Produzententeams Beatgees zu verdanken, lässt einen im ersten Moment sprachlos zurück. Seine Konkurrenz von den Schlümpfen, den Pinguinen aus Madagascar und Bernd dem Brot sieht Spongie nur noch als kleine Punkte im Rückspiegel.

Ohne Frage gelingt dem Schwammkopf mit "Mein Gedudel" das "Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band" unseres in voller Blüte stehenden Jahrzehnts. Ein Blick durch ein kunterbuntes Kaleidoskop, ein wahnwitziger Trip, Gary In The Sky With Diamonds.

Trackliste

  1. 1. Bibabo... (Intro)
  2. 2. Ich Heb Ab
  3. 3. Hinterher! ft. Mrs. Puff
  4. 4. Oma
  5. 5. Komm Schon, Gary
  6. 6. Krosse Krabbe! ft. Mr. Krabs
  7. 7. Ich Bin Bereit
  8. 8. Ich Will Dein Freund Sein ft. Thaddäus
  9. 9. Monsterspuren
  10. 10. Mein Gedudel (XXL-Version)
  11. 11. Hab Zu Tun
  12. 12. Ramba Zamba ft. Sandy
  13. 13. Mampf Mampf Mampf
  14. 14. Die Blaue Blume
  15. 15. Hurra ft. Sandy
  16. 16. Kein Hack mehr da! ft. Mr. Krabs
  17. 17. Patrick...!
  18. 18. Bobmusik (Schlaf jetzt Gary)! (Outro)
  19. 19. ...(Hidden Track)

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37 Kommentare mit 27 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Endlich ist der Song "Mein Gedudel" (bekannt aus der Episode "Der Ohrwurm") auch mal offiziell zu haben!
    Der Chef ist wieder da. Spongebob übernimmt.

  • Vor 10 Jahren

    "Vom Ruhm übermannt, griff der gelbe Schwamm mehr und mehr zu Ahoi-Brause und Dreh-und-Trink. Zur Eskalation kam es ausgerechnet auf der Bühne des Frankfurter Ponyhofs. Nach fünf Minuten des Programms setzte sich der berauschte Sänger breit grinsend und geistesabwesend vor das Publikum und verweigerte jegliche weitere Aktion. Die Spannungen innerhalb der Band und der massive Süßwarenkonsum wurden über Nacht offensichtlich. Schlagzeuger Patrick Star, selbst von Cola-Schlangen abhängig, verließ vorübergehend verärgert die Band, kehrte aber nach einem erfolgreichen Entzug im Sandy-Cheeks-Center wieder zurück."

    Eine harte Zeit! Ich hab schon befürchtet, dass dem 27er-Club ein weiteres missverstandenes Genie per Freitot beitritt...zum Glück hat er die Kurve noch gekriegt!

    Was ich bis jetzt vom Album gehört hab, klang aber schon etwas nach Anbiederung an die Masse...ich hoffe stark, dass Bob seiner punkigen Avantgarde-Attitüde treu bleibt und seine Hörer weiterhin verstört. Es sind doch hoffentlich wieder einige Freejazz-Polka-Bastarde auf dem Album zu finden.

    Habt ihr auch davon gehört, das Spongebob sich demnächst an Patrick Star kreuzigen lassen will...als Protest gegen die Wildfischerei oder so.

    • Vor 10 Jahren

      Ich muss ehrlich mal fragen: Hast du sie noch alle an der Waffel, Django?!

      Wo du da die "Anbiederung an die Masse" siehst, weiß ich echt nicht. Meinst du das "I Love It"-Sample in "Hinterher"?
      Dann hast du den Song einfach nicht begriffen: Spongebob nutzt das nämlich, um den aktuellen Massengeschmack zu PERSIFLIEREN, nicht um sich ihm anzubiedern! Das sagt aber auch viel über das Album aus: Spongebob wird mittlerweile nichtmal mehr von alteingesessenen Fans verstanden.

      Leg' die Scheuklappen ab, Django! Lass dich auch mal auf was Neues ein! Nicht alles ist auch auf den zweiten Blick, was es auf den ersten zu sein scheint!

  • Vor 10 Jahren

    Puh, nach dem ersten Durchlauf bin ich etwas ratlos. Ziemlich sperriger, düsterer Brocken. Beklemmende Atmosphäre. SBob mal wieder sehr progressiv und gewohnt ungewohnt, aber bin ich noch in der Lage diesem kompromisslosen Avantgarde zu folgen? Ist wohl ein Grower...

  • Vor 10 Jahren

    Bin noch unschlüssig, ob ichs mir zulegen soll.
    Die letzten Alben waren schon ziemlich sperrig und haben sich erst nach unzähligen Durchläufen geöffnet. Bin mir nicht sicher ob ich schon bereit dafür bin.
    Die überschwänglichen Kommentare haben mich diesbezüglich aber etwas unsicher gestimmt.
    Anspieltipps?

    • Vor 10 Jahren

      Ich empfehle dir, zuerst in "Mampf Mampf Mampf" reinzuhören, da es doch einer der eingängigeren Songs ist. Allerdings ist das ganze doch eher ein Gesamtkunstwerk, welches man sich komplett anhören sollte. Das Album ist zwar tatsächlich nicht sehr zugänglich, aber man es dann endlich versteht, genießt man das Ganze umso mehr.

  • Vor 10 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 10 Jahren

    Ich kann die Kommentare hier nicht wirklich nachvollziehen. Leute, meint ihr das etwa im Spass? Ich mein, sind wir doch mal ehrlich: in seinen frühen Zeiten war er innovativ, da waren seine Ideen geradezu revolutionär, haben zahlreiche Künstler inspiriert und die moderne Musik bis heute geprägt. Aber was sich schon mit dem letzten Album andeutete und hier nun klar wird: er hat kaum noch neue Idee, sondern will nur nuch mit aufgesetzter Komplexität die Erwartungshaltungen bedienen. Sicher, bei Stücken wie "Ich heb ab" oder "Kein Hack mehr da!" schimmert noch ein wenig die rohe Innovationskraft der frühen Tage durch, aber der Rest ist doch mehr oder weniger nur Kunst um der Kunst willen.

    Sponge sollte sich mal ein paar Jahre Auszeit nehmen, sich auf seine Ursprünge besinnen und dann mit einem Album zurückkommen, das nicht das "Hurz!" - Publikum bedienen will, sondern wieder das ist, was ihn gross gemacht hat.

    • Vor 10 Jahren

      Du glaubst doch nicht wirklich, dass der Schwamm plötzlich wieder den rohen Hardcore der Anfangstage betreibt? Sponge ist erwachsen geworden und das spiegelt sich nun einmal in der Musik wieder. Man kann nicht sein ganzes Leben rohe und jugendliche Musik machen.