laut.de-Kritik
Der Hunger des brüllenden Löwen.
Review von Philipp KauseWenn der Opener "Sushi And Coca Cola", das Plattenlabel Oasis Pizza und die Band Die Gebrochenen Knochen heißen, liegt wahrscheinlich ein Album vor, das Spaß macht. Nostalgischer Soul hat sonst oft etwas Zerbrechliches oder Kunstvolles. Bei Paul Janeway a.k.a. St. Paul And The Broken Bones überrollt einen das Erdige, Kraftvolle basstriefender und fester Sounds, mit salzig getröteten Funk-Spitzen aus Trompete und Posaune.
In "Ooo-Wee" setzen sich röhrende Vocals gegen eine Midtempo-Marschtrommel durch. Gelegentlich kreischt Frontmann Paul zur brutal übersteuerten Gitarre von Browan Lollar. Falsetto beherrscht der 'Heilige' Paul obendrein auch noch ("I Think You Should Know", "Seagulls", "Going Back"). Stilsicher inszeniert das Oktett jeden Track wie ein schrilles, neonfarbenes Denkmal, das alle Blicke auf sich lenkt.
Mitnichten ist das wie die Band benannte Album ein Debüt - schon fünf Studioalben gibt es. Doch in Deutschland firmiert das Ensemble aus Alabama nach einem Zwischenhoch vor zehn Jahren inzwischen wieder wie ein Geheimtipp. Von Sommer 2015 und Anfang 2017 gab es hier und da Shows hierzulande, und ihr vorletztes Album "The Alien Coast" verkaufte sich durchaus in messbarer Größenordnung.
Heute kann man diejenigen wieder bestätigen, die schon längst Otis Redding stilistisch heraushörten, somit eine ikonische und lange zurückliegende Referenz. Das Vibrierende der Monterey Pop-Legende ist beispielsweise am Ende von "Nothing More Lonely" zu spüren. Aber es schwingt auch etwas ganz unvergleichlich Loderndes durch all die Tracks hier: Der Hunger des brüllenden Löwen.
Diese LP lockt dank ihres Feuers sicher auch Leute hinterm Ofen vor, die sonst mit Südstaaten-Soul wenig am Hut haben. Vom Abzählreim in "Sitting In A Corner", einem Song über die Reparatur eines gebrochenen Menschen, bis zum Reggae-Funk-Jojo-Vibe in "Sushi And Coca Cola" funktioniert sprachlich und rhythmisch alles genau so spritzig, wie die Klangfarben an den Instrumenten taufrisch glänzen.
Stark an der Scheibe sticht auch die Dramaturgie hervor. Mit den gedämpften Tönen von "I Think You Should Know" und der polternden, aber traurigen Ballade "Nothing More Lonely" zieht die Crew eine Ruhezone in der Mitte ein. Auf ihre Kosten kommen wohl Fans von Marc Broussard, Marla Glen und The James Hunter Six. Und doch sprüht das Ganze energetisch viel unbändiger.
St. Pauls Songmaterial bricht sich mit unwiderstehlicher Strahlkraft Bahn, jedes Stück toppt noch einmal das vorige - sowas findet sich selten: Auf die explosive Northern Soul-Heavy Rock-Kreuzung "Stars Above" lassen die Knochenbrüche die pure Fluffigkeit an der Hammond-Orgel vom Stapel ("Seagulls"), bis sich die Posaune wie besoffen überschlägt. "Und wer weiß? Vielleicht machen wir als nächstes unser Death-Metal-Album", zeigt sich der Frontmann für eine schräge Fortsetzung offen. Am Ende etwas Besinnliches in die Album-Architektur einzuziehen, diesen klassischen Kunstgriff lassen sich auch The Broken Bones nicht nehmen. "Going Back" belegt auch Kompetenz im gepfefferten Schmalz. So liefert die Band Banger um Banger in diversen Spielarten.
2 Kommentare
Kommen nach Deutschland nächsten Februar. Pflichttermin!
Drillt sich herrlich vom Ohr über Cortex und Limbisches bis zur eh schon mitwippenden Zehenspitze und beamt dich mit der Liebsten im Arm auf einen Kuschelteppich vor Kamin. Dazu knistert wahlweise der alte FM-Empfänger oder der holzgefasste Vinylplayer. Perfekt austariertes Meisterwerk.