laut.de-Kritik
Dieses Stück Musik macht betroffen.
Review von Maximilian FritzEDM bleibt ein Phänomen. Ähnlich wie im Fall der Kelly Family gibt kaum jemand offen zu, die verpönte Tomorrowland-Musik zu konsumieren. Und doch wähnt sie sich nach wie vor in schwindelerregenden kommerziellen Höhen. Neben David Guetta, Tiësto und manch anderem Big Player macht sich auch Steve Aoki seit über einer Dekade eifrig einen Namen in dem Genre, das jeder selbsternannte Connaisseur in der Regel verachtet.
Die Formel gerät dabei immer äußerst berechenbar: Der Japaner entwirft Beats, die jeglichem Tiefgang entbehren, eine Palette an artifiziellen Stimmungen abdecken und genügend Fehlgeleitete zum Kauf bewegen, während sich der Rest der Welt darüber empört oder schlicht seine Gleichgültigkeit ausdrückt. Der Fakt, dass Aoki den meisten Menschen eher durch das Werfen von Torten bei Auftritten bekannt sein dürfte als durch seine Musik, veranschaulicht die künstlerische Relevanz obendrein.
Mit Vorliebe stopft der DJ seine Tracklist außerdem bis zum Bersten mit abgehalfterten Featuregästen voll: Louis Tomlinson, Lil Yachty oder Daddy Yankee und auch Blink 182 machen sich dieses Mal gemein mit dem Bösen, um nur einige zu nennen.
Schwierig wird es, geht es darum, einzelne Songs hervorzuheben. Da wirklich alles generisch, austauschbar und vor allem schon erschreckend vertraut klingt, wird die Suche nach dem Überraschungsmoment auf "Neon Future III" zur Mammutaufgabe. Überhaupt suggeriert der Albumtitel keine kreativen Quantensprünge, um es vorsichtig zu formulieren. Das Cover hingegen wirkt außerordentlich konsequent, scheint sich doch das Plastikhafte an Aokis Sound langsam in sein Gesicht einzuschreiben.
Die seelischen Grabenkämpfe, die der Maestro und seine Fans ob dieser haarsträubenden musikalischen Ergüsse mit sich austragen, verbalisiert Jack Met, Mitglied einer Brüderkombo namens AJR, wenn er auf "Pretender" singt: "I'm insecure, I'm insecure, I think I like what I'm supposed to, like what I'm supposed to." Oder, auf dem Gipfel der Selbsterkenntnis: "I'm a good pretender. I'm not really cool. I'm a good pretender. Cause I'm just like you."
Insgesamt beweist Aoki ein Händchen dafür, hierzulande nur leidlich bekannte "Pop-Rapper" (Wikipedia) wie den jämmerlich trällernden Mike Posner ins Boot zu holen. Den negativen Höhepunkt besorgt aber das besagte Blink 182-Feature "Why Are We So Broken" inklusive Uptempo-Beat. Die abgeschmackten Highschool-Punks, deren Anhänger gefühlt seit Tag eins beteuern, die Band wäre früher mal gut gewesen, passen wie die Faust aufs Auge zu diesem Album. Erst der Refrain verrät bezeichnenderweise, dass Aoki überhaupt Aktien an diesem Stück Musik aus der Hölle hält.
Nur eines fasziniert an dieser LP nachhaltig: Wie stoisch sich die Beats, so unterschiedlich sie im Tempo anfangs auch sein mögen, immer wieder auf den unvermeidbaren Drop und die damit einhergehende Spring Break-Ekstase hinbewegen. Weitere Einsatzmöglichkeiten für jede der 17 (!) glattgebügelten Produktionen: Intros der Öffentlich-Rechten bei Sportereignissen, Malls, der Fernsehgarten, Lloret De Mar.
Manchmal tarnt Aoki seine niederen Beweggründe hinter Latino-Attrapen ("Azukita"), manchmal hinter Garrix'schem Bigroom-Sound ("Hoovela") oder eben der Art Dubstep, die das ursprünglich interessante Genre beinahe in die ewigen Jagdgründe beförderte ("Noble Gas"). Eine Konstante kristallisiert sich aber schon nach wenigen Minuten der knappen Stunde Spielzeit heraus. Die musikalische Innovation pendelt sich bei Null ein und der Interpret will das exakt so. Kurzum: dieses Album macht betroffen.
5 Kommentare
Ja, dem stimme ich in etwa zu. Das Album verspricht Abwechslung und setzt letztlich einen Sound in Dauerschleife um.
Dass Aoki auch anders kann, hat er in wenigen Kollaborationen und Remixen gezeigt - also nur vereinzelt toll, sonst eher solala
musik arsch.
cover arsch.
künstler arsch.
1/5 daher natürlich obligatorisch.
Kalkulierter Ramsch, der auf ein Klientel zielt, das an Musik höchstwahrscheinlich nicht besonders viele Ansprüche stellt. Da muss man nicht betroffen sein. Gibt schließlich größere Sorgen als immer gleich klingende Stangenware, für die sich abseits von Tomorrowland und ähnlichen Massenfestivals rund um den Globus ohnehin keiner ernsthaft interessiert. Zumindest gibt es keiner freiwillig zu.
Kann man diese dumme Quantensprungmetapher mal langsam abschaffen?
1/5 natürlich trotzdem allerhöchster Generalkonsens.
Ich war schon am tomorrowland (forfree) und hab mich an der mainstage aufgehalten und bin auch mitgesprungen. Mittlerweile seh ich auf diese zeit zurück und runzle die stirn, wie das so weit kommen konnte. Das Reinschleichen an sich war trotzdem geil.
Steve Aoki btw war live ziemlich Kirmes, aber als 20-Jähriger ziemlich cool.