laut.de-Kritik
Geniale Riffs, Dudelsack-Passagen und Geigen-Kitsch.
Review von Yan VogelWeltmusik nimmt im Wirken von Gitarrengenius Steve Hackett einen großen Platz ein. Sowohl das Hantieren mit verschiedenen Stilen als auch die Integration internationaler Sounds bestimmen sein musikalisches Denken seit den Anfangstagen mit Genesis.
Der Titel "The Night Siren" spielt programmatisch auf den Odysseus-Mythos an. Entsprechend zieren das ansonsten unspektakuläre Artwork zwei Klippen, wie sie auch in der griechischen Sagenwelt vorkommen. Um eine Brücke zur heutigen Zeit zu schlagen, stehen die Sirenen Pate für Extremismus und Intoleranz, die in ihrer populistischen Diktion umso leichter verfangen. Hacketts Antwort auf die Frage nach einem besseren Miteinander lautet 'Vielfalt in Einheit'. Das einende Band ist natürlich die Musik in ihrer universellen Verständlichkeit. Die Vielfalt belegen sowohl die Gästeliste als auch die verschiedenen Themen der Songs.
Langjährige Weggefährten wie Roger King (The Mute Gods) oder Gary O'Toole bilden gemeinsam mit Hackett den Kern. Ergänzung erfährt die Stammbesetzung um Szenegrößen wie Nick D'Virgilio (Ex-Spock's Beard), Nad Sylvan ("Genesis Revisited") oder Kobi Farhi (Orphaned Land) sowie Instrumentalisten aus aller Herren Länder, darunter Nightwishs Troy Donockley, die den Songs unterschiedliche Klangfarben verleihen.
In "Fifty Miles From The North Pole" illustrieren Didgeridoo und Trompete die schroff-schillernde Landschaft Islands unter der eisigen Sonne. Duduk, Tar und Oud geben "Behind The Smoke", einem Song zur Flüchtlingsbewegung, oder "West To East", das den Israeli Farhi und die Palästinenserin Mira Awad am Mikro vereint, das entsprechende Kolorit. Die Story über einen schottischen Clan ("In Another Life") endet stilecht, aber nicht unbedingt stilsicher mit einem Dudelsack. Einige zielsicher ins Schwarze treffende Riffs der Marke Led Zeppelin oder Iron Maiden sorgen für die nötige Würze.
Leider wirken die Song-Collagen nicht immer in sich stimmig. Die Schotten-Nummer beginnt mit tollen Folk-Gitarren, mündet dann in ein poppiges Allerweltsthema, bevor das oben angesprochene Dudelsack-Outro dem Ganzen die Narrenkappe aufsetzt.
Seine brillante, facettenreiche Gitarrenarbeit, die für Äonen von Gitarristen wie Alex Lifeson oder Brian May stilprägend war, führt Hackett in mehreren genialen Solipassagen vor, u.a. im auf der spanischen Gitarre zelebrierten Intro zu "Anything But Love". Danach kippt der Track jedoch in einen beliebigen Schunkelrock-Part, der den Kollegen von Genesis in den Achtzigern auch gut zu Gesicht gestanden hätte.
Auch die Sinfonik entpuppt sich als zweischneidiges Schwert und reicht von neoklassischen Klanggemälden bis hin zu aufgesetztem Geigen-Kitsch. Klar, die Musik firmiert unter dem Etikett Prog. Alles geht, nichts muss. Aber die Fallhöhe eines Parts in klassischer Genesis-Tradition hin zu Kitsch, Pomp und Pop ist einfach zu hoch. Neben Highlights wie den in sich schlüssigen ersten fünf Songs findet sich leider viel inkohärentes Stückwerk. So vielversprechend das weltumspannend-humanistische Motto 'Einheit in Vielfalt' auch klingt, musikalisch geht diese Internationale des Progrock nicht immer auf.
3 Kommentare
Nein!
Alterskitsch.
Hackett ist ein richtig guter Prog-Gitarrist, ein Songwriter war er nie. Blood on the Rooftops hat er getextet- toller Song!