laut.de-Kritik
Experimentelles vom früheren Genesis-Gitarristen.
Review von Martin LeuteFällt der Name Steve Hackett, folgt meist auch der der Popgruppe Genesis, deren Musik er acht Alben lang begleitet hat. Als dem hervorragenden Gitarristen das Bandkonzept zu eng wurde, startete er schließlich eine Solo-Karriere und blickt inzwischen auf etwa zwanzig Veröffentlichungen zurück.
Das nun erschienene Werk "Wild Orchids" verbindet die rockigen Elemente von "To Watch The Storms" (2003) mit den klassischen des Nachfolgers "Metamorpheus" (2005). Zudem schickt Hackett den Hörer auf eine Reise in die klangliche Vielfalt der Welt. Rock goes Klassik goes Weltmusik wäre das Ergebnis zu nennen. "Ich suche nach Orten ohne Grenzen, wo Kulturen aufeinander treffen, um sich gegenseitig zu beeinflussen", sagt Hackett.
Der Opener "A Dark Night In Daytown" kommt mit ordentlich Bombast daher: das Streichorchester startet so dramatisch, dass Rondo Veneziano ihre Freude hätten, Hackett springt mit stakkatohafter Stimme auf, und bald gesellt sich die kreischende E-Gitarre dazu. "Waters Of The Wild" klingt durch den Einsatz einer Sitar und einer Flöte und weiterer Blasinstrumente merklich orientalisch, das stampfende Schlagzeug sorgt für einen permanenten Klangteppich, der ziemlich aufdringlich daherkommt.
Da erfreut man sich an "Set Your Compass" mit schottischen Folkmelodien, in dem Hackett leise Töne anschlägt. Der sonore Sprechgesang im folgenden düsteren "Down Street" ist eingebettet in diverse Klangbilder und Samples. Anstrengend. Aber dann das gelassene "A Girl Called Linda" und anschließend das wunderschön zweistimmig vorgetragene "To A Close" mit ungewohnt dezenter Instrumentierung. Geht doch, brülle ich hier laut.
Aber schon treffen in "Ego And Id" nach Apocayptica klingende Celli auf E-Gitarren. Was soll das? Über meine inzwischen angespannte Stimmung trösten auch das Vogelgezwitscher, die Harmonica und die schlicht gespielte Gitarre im folkig anmutenden, hübschen "Man In The Long Black Coat" - im Original von Bob Dylan - hinweg.
Hier wird mir klar, dass das Album unterschiedlichste Musikstile zu vereinbaren versucht, was löblich ist, nur finde ich den roten Faden nicht, der die Songs zusammenhalten würde. In "Why" ein kurzer Ausflug in den Swing, "She Moves In Memories" ist ein ruhiges cineastisches Instrumental, "The Fundamentals Of Brainwashing" ein zurückhaltender Song, der an Pink Floyd erinnert. Aber auch hier wirken das Schlagzeug und das E-Gitarrensolo überladen und irgendwie deplaziert. Ein weiteres, diesmal rockiges Instrumental ("Howl") setzt den Schlusspunkt hinter eine Irrfahrt durch die musikalischen Genres.
Es mag sich hier tatsächlich um das Bemühen handeln, die musikalische Vielfalt der Welt in die dreizehn Songs auf "Wild Orchids" zu bündeln. Aber an dem Ort, wo diese Pflanze wächst, möchte ich nicht wohnen. Steve Hacketts Konzept ist zu eklektizistisch, zu willkürlich, als das es nachvollziehbar bliebe und zu einem harmonischen Ganzen führte. Postmoderne hin oder her, der Hörer ist aufgefordert, sich ständig auf neues Terrain zu begeben: Klassik, Ethno-Rock, Cabaret, Folk, eine Mixtur, bei der man schnell ins Schleudern gerät. Weniger ist manchmal mehr.
Dazu kommt eine ungemein pompöse Produktion, die die fremdländischen musikalischen Einflüsse nie wirklich zur Entfaltung kommen lässt. Er integriert sie nicht, er eignet sie sich vielmehr an. Steve Hackett löst Grenzen auf, ohne seine eigene prätentiöse Haltung zu überdenken.
Der rast- und ruhelose Hörer liegt mit diesem enorm experimentellen Album genau richtig, aber, sorry, ich kann mich damit – trotz einiger schöner Momente - einfach nicht anfreunden.