laut.de-Kritik

Als würden Rammstein Santiano durch den Fleischwolf jagen.

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Ein alter Zweimaster auf düsterer, sturmgepeitschter See, dazu der Albentitel "Hart Am Wind": Der Erfolg von Santiano ermuntert offenbar auch weitere Künstler, auf der Shanty-Welle mitzuschwimmen. Doch Hans-Martin Stier und seine Bandbesatzung segeln in gänzlich anderem Fahrwasser als die Kollegen aus dem hohen Norden.

Bei Stier geht es "Jeden Tag Hinaus" - und nicht hinein in gefällige Rock-Gestade. Hier bratzen die Gitarren nämlich amtlich und metallisch. Das klingt schon bald nicht mehr nach Shanty, sondern löst Versprechen ein, die frühere Albenveröffentlichungen mit einem Titel wie "Monster, Blut & Kleine Mädchen" (unter dem Namen Törner Stier Crew) bereits anklingen ließen.

"Mein Gott" ist tatsächlich der erste Gedanke, rauschen die eröffnenden Takte vorüber. Fragmenten der "Musik Ist Trumpf"-Melodie aus Harald Juhnke-Zeiten, bis machen im Gegenzug brachiale Rammstein-Sounds den Garaus. Musikalisch dreckig und brutal und textlich doppelbödig lässt Stier seinen Gedanken an die Tochter freien Lauf.

Gewiss nicht gegerbt durch alkoholfreies Bier und Zigarettenverzicht, haben die Lebensjahrzehnte ihre Spuren auf der Stimme hinterlassen. Stiers knurriger, abgrundtiefer Bass-Sprechgesang sorgt für prickelnde Atmosphäre bei den 13 Songs des Albums. Mal abgrundtief röhrend, gar dröhnend, und dann wieder rauchig-rauh über die Abgründe des Seemanns-Daseins - das ist nicht nur gespielt. Klar liegt der Gesang auch mal windschief daneben. Das trägt allerdings nur noch stärker zur hautnahen Freibeuter-Atmosphäre bei.

Nach ruhigem Intro nimmt das "Geisterschiff" dank Knüppeldrums und dichten Metal-Gitarrenwänden Fahrt auf. Auf der Suche nach "zartem Asiencharme" läuft Stiers Seelenverkäufer zum Ende auf ein Riff - "weil die Wache schläft / so besoffen ist". Der Song geht sogar bestens als vordergründig grob gehauene, doch treffend umgesetzte Lebensmetapher durch.

Lebensängste plagen Stier im unruhig umherwandernden "Schwarz". Düstere Nachtbilder durchziehen die "Vampire"-Liebeserklärung. Tiefe "Blut Blut Blut"-Rufe verdienen sich Beifall der Heavy- und Gruftrock-Fans. Die hart stampfende "Nachtschicht" könnte glatt dem Rammstein-Output entstammen. Die mitunter schräge Themenwahl sowieso. "Rauhaar" ist tatsächlich eine Ode an den gemeinen deutschen Dackel: "Rufus Von Bad Reichenhall / dein Stammbaum ist ein Sonderfall".

"Hart Am Wind" atmet in seinen besten Momenten mehr Alternative als mancher explizit so etikettierter Act. Für Käpt'n Stier und seine vierköpfige Crew dient die vordergründige Seemanns-Attitüde nur als verbindender Faden. Um verschiedensten Stilrichtungen zwischen Hardrock, Metal, Singer/Songwriter und auch mal dezent verstecktem Pop frisch funkelnde Facetten abzuringen.

Und wer bei "Hart Am Wind" Blut geleckt hat, der kann gleich noch mal zuschlagen. Denn mit "Geisterschiff" legt Stier die Tracks in einem abgespeckteren (und dennoch dichten) musikalischen Umfeld gleich noch mal auf, inklusive einiger Live-Umsetzungen.

Trackliste

  1. 1. Jeden Tag Hinaus
  2. 2. Wonderworld
  3. 3. Geisterschiff
  4. 4. Mein Gott
  5. 5. Der Frost
  6. 6. Rauhaar
  7. 7. Mein Schatz
  8. 8. Der Fenstergucker
  9. 9. Keine Zeit
  10. 10. Schwarz
  11. 11. Vampire
  12. 12. Nachtschicht
  13. 13. Der Morgen

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