laut.de-Kritik

Gebrochene Musik für gebrochene Menschen.

Review von

Das Suede-Comeback "Bloodsports" liegt mittlerweile bereits zwölf Jahre zurück. Mit "Antidepressants" ziehen sie nun bei den Veröffentlichungen quantitativ mit der ersten Phase ihrer Karriere gleich. Betrachtet man beide Phasen und fasst die jeweils fünf Longplayer zusammen, geht die zweite Etappe sogar als Sieger hervor – und das nicht einmal knapp.

Zwar fehlt Suede 2.0 die überragende Größe der ersten beiden Alben "Suede" und "Dog Man Star", dafür aber auch so mancher Durchhänger. Damit nicht genug: Mit "Autofiction" gelang den Briten zuletzt gar ein Comeback innerhalb des Comebacks. Plötzlich klangen sie so kraftvoll und frisch wie selten zuvor. Kein Wunder also, dass der Nachfolger "Antidepressants" genau hier ansetzen möchte. Der Band schwebt sogar eine Art "Black-and-White"-Trilogie vor. Eine konzeptionelle Klammer, die sich im Coverdesign widerspiegelt.

"Wenn 'Autofiction' unsere Punk-Platte war, ist 'Antidepressants' unsere Post-Punk-Platte", bringt es Sänger Brett Anderson auf den Punkt. "Es geht um die Spannungen des modernen Lebens, die Paranoia, die Angst, die Neurosen. Wir alle streben nach Verbundenheit in einer unverbundenen Welt. Dieses Gefühl wollte ich mit den Songs vermitteln. Es ist gebrochene Musik für gebrochene Menschen." Man könnte manchmal alles hinschmeißen, doch mit 57 verschwendet der Sänger keinen Gedanken daran. Stattdessen setzt er seine Hoffnung genau in diese Menschen: "It's broken music and it's broken people who will save the world." ("Broken Music For Broken People")

Trotz zahlreicher stilistischer Neuanfänge im Laufe ihrer Karriere bleiben Suede in jedem Moment unverkennbar sie selbst. Die melancholischen Hymnen, der Glam-Faktor, der unüberhörbar in Richtung Bowie schielt, und Brett Andersons Stimme, die klingt, als hätte sie zu viel geliebt und zu oft verloren. All das verbunden mit dieser eigentümlich gegensätzlichen Mischung aus dekadentem Glanz und Arbeiterklasse-Schlagseite.

Auf "Antidepressants" schmücken sie ihre von Ed Buller produzierten Songs nun mit Einflüssen von Killing Joke, The Cure, Joy Division, Siouxsie And The Banshees und allem, was in den ganz frühen 1980ern sonst so traurig aus der Wäsche geschaut hat. All dies setzt Langzeit-Produzent Buller gewohnt souverän in Szene und unterbricht es mit ungefiltertem Lärm, klaustrophobischen Nachrichtenfetzen und verstörenden Geräuschkulissen.

Vieles auf dem Album entfaltet seine Wirkung erst mit der Zeit und verweigert sich zunächst dem unmittelbaren Zugriff. Sprang einem "The Only Way I Can Love You" vor drei Jahren auf der Suche nach Zärtlichkeit vielleicht noch etwas zu forsch um den Hals, so will der Refrain von "The Sound And The Summer" anfangs partout nicht zünden. Erst langsam fügen sich die Bruchstücke zusammen, um dann um so markanter zusammenzufinden.

Das unheimliche "Trance State" mit seinem stampfenden Schlagzeug, dem fesselnden Simon Gallup-Basslauf und die unterkühlte Gitarre funktioniert hingegen vom ersten Moment an. Der verlorene Wunsch nach Vertrautheit, gebrochen durch Paranoia und Unsicherheit, verdichtet sich zu einem fiebrigen Albtraum, den schließlich ein in Dunkelheit funkelnder Britpop-Refrain durchbricht. Ein Kontrast, der die Eindringlichkeit des Songs noch steigert.

Nach einem beklemmenden "Disconnected / Connected"-Einstieg erhebt sich mit "Disintegrate" ein grandioser Opener, in dem Brett Anderson in seiner so typischen Lyrik den körperlichen Verfall und das Bewusstsein, dass alles endet, wie eine der schönstmöglichen Liebeserklärungen klingen lässt: "Come down and disintegrate with me / We're cut down like the daisies, like the tall poppies." Ein Suede-Refrain der schwelgerischsten Art verbindet sich mit einer kantigen Killing Joke-Gitarre.

Trotz Begleitung seiner Band wirkt Andersons Stimme in "June Rain" isoliert: "I'm an alien on the opposite side of the road / And you wave to me, despite the fact that I've let myself go." Er verströmt pure Einsamkeit, erinnert stimmlich an "The Next Life" ("Suede") oder "Still Life" ("Dog Man Star"). Die Hauptfigur bleibt schemenhaft, nicht greifbar, zerrissen zwischen der Welt der Lebenden und dem Wunsch, ihr endgültig zu entgleiten.

Ohne Frage gelingt Suede mit "Antidepressants" ein starkes Album. An das Niveau des Vorgängers reicht es jedoch nicht ganz heran. Ein Vergleich, den sich der Longplayer aufgrund des Trilogie-Charakters gefallen lassen muss. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass "Autofiction" über die gesamte Laufzeit hinweg mehr zwingende Songs bietet und eine durchgehende Dynamik entwickelt, die dem neuen Werk ein wenig abgeht. Es wirkt zwar keinesfalls träger, aber die herausragenden, zwingenden Momente fallen seltener aus.

"Somewhere Between An Atom And A Star" verfügt zum Beispiel über viel Potenzial, beginnt dann aber schnell seltsam zu lahmen. Dabei wirkt Album Nummer zehn keineswegs energielos. Zahlreiche Passagen strahlen enorme Kraft und Intensität aus. Dennoch erreicht die Platte nicht ganz die Unbedingtheit und Wucht, die den Vorgänger ausmacht.

Trackliste

  1. 1. Disintegrate
  2. 2. Dancing With The Europeans
  3. 3. Antidepressants
  4. 4. Sweet Kid
  5. 5. The Sound And The Summer
  6. 6. Somewhere Between An Atom And A Star
  7. 7. Broken Music For Broken People
  8. 8. Criminal Ways
  9. 9. Trance State
  10. 10. June Rain
  11. 11. Life Is Endless, Life Is A Moment

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