laut.de-Kritik
So was Unerhörtes spielt man einfach nicht!
Review von Kai KoppNoch nie hab ich so ein hässliches Cover gesehen! Und noch nie eine so besessene Susi Hyldgaard gehört. Titel wie "Awake She Is", "Legz On Up" und "Borderline Happiness" verweisen auf einen Grad an genialem Wahnsinn, der mit einer begierigen und lustvollen Psychose durchaus etwas gemein hat.
Wer den Refrain von "Awake She Is" melodisch verfolgt, kommt nicht umhin, ihn als durchgeknallt zu bezeichnen. Für Instrumentierung und Arrangement gilt dasselbe: Das eine, weil sich die Protagonistin mit dem Klangkörper eines großen Jazzorchesters umgibt. Das andere, weil eine Big Band so was unerhörtes einfach nicht spielt. Von den Spoken Word-Narrationen Hyldgaards, die Ursula Rucker harte Konkurrenz machen, mal ganz abgesehen!
Hyldgaard ist bekannt für Außergewöhnliches. Nicht umsonst heißt es, sie biete etwas, "was es nur selten gibt: unartige Ohrwürmer mit musikalischer Tiefe." Dieses Urteil, das bereits ein paar Jährchen und einige Hyldgaard-Releases auf dem Buckel hat, toppt die Dänin auf "It's Love We Need" mit Leichtigkeit.
"Ich habe mein Songwriting nicht verändert, um den Anforderungen einer Big Band zu genügen", gibt die Klavier, Akkordeon- und Vibraphon-Spielerin preis. "Die Songs sind auf herkömmliche Weise entstanden und dann für ein großes Jazzorchester arrangiert worden. Und ich glaube nicht, dass Singer/Songwriter die besten Freunde von Big Band-Arrangeuren sind".
Die Lorbeeren für die gnadenlos guten Orchestersätze gehen also an die NDR Big Band und ihre Tonsetzer Roy Nathanson und Bill Ware. "Was soll ich sagen, anbetungswürdig", kniet Hyldgaard vor der Leistung des Orchesters nieder.
Zu den Wagnissen der Orchestrierung auf "Awake She Is", "Legz On Up" und "Borderline Happiness" gesellt sich "You Have What It Takes", das mit abstrusen Rhythmusgebilden überrascht. Weniger überrascht, dass die NDR Band diesen ebenso gelassen begegnet, wie einst Dave Brubeck seinem Take Five.
"Your Favourite Fool" und "Please Forgive Me" lassen in Sachen Bläserarrangements und Soli, Melodieführung, Erzählstil und dem Kokettieren mit nostalgischem Wirtschaftswunder-Rumba, ebenfalls nichts anbrennen. "Ich habe schon so lange in kleinen Formationen gearbeitet. Die Zeit war reif für mehr Raum, mehr Klangfarben und sehr weit gespreizte Flügel", oder "Sometimes it's necessary to take things to the limit", wie sie auf dänglisch formuliert.
5 Kommentare
Was ist das auf dem Cover-Pic? Großer Klecks Sahne mit Erdbeeren?
Ich kenne die Frau (flüchtig) nur dem Namen nach, aber diese und auch die eben erst gelesenen beiden anderen Reviews zu etwas älteren Alben haben mich neugierig gemacht.
Susi Hyldgaard scheint jedenfalls in meinen Focus zu passen.
in dein beuteschema passt sie auf alle fälle ... hör mal rein ... schadet auf keinen fall
In meins auch ...
Hab sie vor ein paar Jahren im Radio gehört, da durfte sie für eine Sendung ihre Lieblingsstücke vorspielen und kommentieren, das war ziemlich gut. Dadurch habe ich Rachelle Ferrell kennengelernt (Individuality, heißer Tipp für Soulfreunde).
Wenig später entdeckte ich auf dem Grabbeltisch die "Something Special" und hab mal zugeschlagen. Kann ich nur empfehlen. Die eigentlich braunhaarige Hyldgaard (die auf dem Cover komplett wie eine Ex von mir aussieht ... seufz ...) nimmt absolut kein Blatt vor den Mund. Interessant, eine selbstbewusste Frau über Liebe/Sex singen zu hören. Dagegen sind die "explicit lyrics" der Rapper unromantisch verbrämtes Drumrumgelaber. (Die können nur explicit, wenn es um Macker-Macht-/Statusphantasien geht ...)
Die "Something" geht zum Teil heftig ab, einen schwerfälligen Bigband-Klangkörper kann ich mir dafür nur schwer vorstellen.
@Kai: Du hast da ja gerade einen ganz schönen Stapel interessanter Neuveröffentlichungen!
@thelema
ich habe den eindruck die jazz-szene hat eine geheime veröffentlichungs-verschwörung auf ende märz inszeniert ... die neue renaud garcia-fons (3.4.) ist auch prima, und alony (24.4.) ist schwer zu empfehlen. aber jetzt kommt erstmal die india arie-rezi ...
Die erste Alony hab ich gehabt und dann meiner Freundin geschenkt, weil sie ein paar Songs auf Hebräisch singt. Ich dachte, das könnte ein Köder sein ... Hat aber nicht funktioniert. Vielleicht hol ich mir die wieder. Da sind nämlich ein paar schöne Songs drauf.
Bin mal gespannt auf deine Review.