Sven Regener - " Meine Jahre mit Hamburg-Heiner: Logbücher"

Wer noch eines Beweises bedurft hätte, dass Sven Regener ne coole Sau ist, wird auf "Meine Jahre mit Hamburg-Heiner: Logbücher" fündig: Sven mag die Eagles Of Death Metal und laut.de. Wahrscheinlich auch in dieser Reihenfolge.

Wie dem auch sei: Es läge unserer Bescheidenheit fern zu verhehlen, dass wir uns im Spätsommer 2009 furchtbar über einen Anruf aus dem Hause Universal Music gefreut haben. "Hättet ihr Lust, dass Sven Regener zur neuen Platte bei euch bloggt?", lautete die rhetorische Frage.

Das Element Of Crime-Album "Immer Da Wo Du Bist Bin Ich Nie" stand gerade in den Startlöchern und Sänger Regeners kantige Blogbeiträge hatten sich bereits bei "Mittelpunkt Der Welt" drei Jahre zuvor offenbar als hervorragende Promo für Mann, Leben und Werk erwiesen.

Eine echte Win-Win-Situation also, zumindest aus unserer Sicht, denn wir mögen Regeners Band, seine Blogs und seine Bücher. Wir mochten sogar den Blog seines englischen Bassisten David Young, den wir 2006 todesmutig dazu einluden, in Regeners urtümlichem Ressort zu wildern, weil der woanders bloggte, wahrscheinlich beim Zeit-Zünder.

Ist im Endeffekt auch egal, denn nun liegen sie alle vor, wahlweise in geschriebener oder in vom Chef selbst eingesprochener Form. 4x80 Minuten dauert die akustische One-Man-Show voll raffinierter und stets mit ungeahnten Wendungen auftrumpfender Short Stories um den Telefon-Terroristen Hamburg-Heiner.

Wenngleich ich die Print-Ausgabe dem Hörbuch aufgrund der zumeist verpixelt-skurrilen Fotos samt surrealer Bildunterschriften vorziehe, muss lobend erwähnt werden, dass Regener mit seiner hanseatisch gefärbten Wortgewalt selbst kompliziert strukturierte Blog-Formate bis in den dreizehnten Nebensatz hinein (Erkenntnis-) gewinnbringend vorzutragen weiß.

Das von ihm und Hamburg abgearbeitete Themenspektrum ist enorm und berührt in erster Linie Felder, mit denen sich ein bloggender Musiker auseinandersetzen muss: Integration, Versöhnung, Afghanistan, aber dann eben auch Promo, Konzerte, Städte, Essen, Einzelhandel, Sarah Kuttner, Thomas M. Stein, Offtag ("Offtach"), Templates, iPhones oder Spiegelstriche in der automatischen Anpassung von Textverarbeitungsprogrammen.

Der Erfolg von Regeners Tagesnotizen liegt nicht nur in dessen gerne zusammenhang- wie uferloser Formulierungskunst begründet, sondern auch im Dialog-Konstrukt mit dieser galligen Figur Hamburg-Heiner, die Regener die Vorlage liefert, fragwürdige Mechanismen der Branche oder Klischees des Musikerlebens aufs Korn zu nehmen.

In seinen Bewusstseinsmahlstrom fallen dann aber auch mal Überlegungen zum preußisch-österreichischen Krieg, selbstverständlich im Blog für den Standard. Immer schön zielgruppengerecht, da macht ihm keiner was vor. Bei uns gehts dann logischerweise um Musik, oder wie Regener seinem Alter Ego erklärt: "Das hier ist laut.de, Hamburg, da geht's um Rock'n'Roll, deshalb kommen hier Nightliner vor und Soundchecks und Charts und so."

Zu unserem Entzücken kommt er auch auf unsere schöne Heimat zu sprechen, "weil laut.de ja in Konstanz gemacht wird, was die wenigsten wissen." Dies traf uns zugegeben nicht ganz unvorbereitet, da Regener uns schon mal nach einer EOC-Show im Stuttgarter Longhorn mit seinem Langzeit-Gedächtnis beeindruckte, das sogar Details eines Auftritts im hiesigen Thomas-Blarer-Haus in den späten 80ern Jahren zutage förderte.

Würde sich der Mann etwa auch an die schöne Anekdote erinnern, wie er 1997 mit Chefredakteur Gauger beim laut.de-Vorläufer Music&Sound für geschätzte 15 User einen Online-Chat moderierte? Nein. Aber man soll ja auch nicht alle geilen Stories gleich rausballern. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Album-Blog. Bis dahin gilt, was Regener an einer Stelle eher augenzwinkernd formulierte: "Dieser Blog ist Kunst, er soll einfach nur sein."