laut.de-Kritik

Der Laptop-Rabauke läuft zur Höchstform auf.

Review von

Sollte das Radio, dem Titel des neuen T.Raumschmiere-Albums entsprechend, einem Stromausfall zum Opfer fallen, wie jüngst auf der anderen Seite des großen Teiches geschehen; der Schaden wäre schnell geschätzt, so lange Batterien für den Discman und die aktuelle Produktion von Shitkatapult-Chef Marco Haas griffbereit liegen. Elf Tracks lang holt T.Raumschmiere alles aus seinem Laptop raus, streichelt es, quält es, schmeichelt ihm, tritt ihm in den Arsch.

So kann nur einer mit Computern umgehen, der noch vor zehn Jahren seiner Wut am Drumkit einer Punkband freien Lauf ließ und quasi als spätberufener Quereinsteiger Mitte der 90er zur elektronischen Musik fand. Nicht der verkopfte, sich selbst genügende Soundtüftler ist hier am Werk, sondern einer der mit seiner Musik rocken will, zur Not auch die Massen. In bester The Stooges-Manier hämmert beim Opener "I'm Not Deaf, I'm Ignoring You" die Snare-Drum den Gehörgang hinunter, bevor die erste Singleauskopplung "Monstertruckdriver" mit catchy Hookline und einem gnadenlosen Fundament aus Bass den Tech 'n' Roll lehrbuchmäßig definiert. Kein Wunder, dass Altmeister Sven Väth den Track seit Wochen auf Platz eins seiner persönlichen Charts führt, noch vor dem neuen LFO-Stück "Freak". Und auch Mute-Chef Daniel Miller promotet die neuen T.Raumschmiere Songs schon fließig in seiner Radio-Show beim Berliner Sender Radio Eins. Zugegebenermaßen nicht ganz so selbstlos wie Väth, schließlich hat Miller Marco Haas für Mute gesignt.

Während Tracks à la "Monstertruckdriver", "Querstromzerspaner" oder "The Game Is Not Over", mit Miss Kittin in der Rolle der rotzigen Punkchanteuse, unverhohlen die Rock-Käule schwingen und für den Peak-Hour-Einsatz im Club bestens geschaffen sind, zeigt T.Raumschmiere mit Songs im Stile von "Someday", dass er sich auch auf die leisen Zwischentöne bestens versteht. Auch der Titeltrack "Radio Blackout" mit seinen langsam aufwallenden Loop-Arrangements entwickelt eine ganz eigene dynamische Spannungskurve, wie sie auch vielen Coil-Stücken zu eigen ist. Die T.Raumschmiere Fans in den USA konnten sich dank des "Anti"-Longplayers auf dem Chicagoer Label Hefty schon an die zarten Seiten des Laptop-Rabauken gewöhnen. Hierzulande ließ Marco Haas vor allem mit seinen heftig knarzenden Releases auf dem Kölner Kompakt- und dem Berliner Sender-Label aufhorchen.

Wem der feine Sound allein noch nicht überzeugendes Kaufargument genug ist, für den hält T.Raumschmiere gleich vier Videos parat, die sich als computerkompatible Features auf "Radio Blackout" finden. "Monstertruckdriver" gefällt im spartanischen schwarz-weiß Comicstil, "Rabaukendisko" beschwört Haas Drummer-Vergangenheit herauf, bevor "Radio Blackout" den Karren schließlich gegen die Wand fährt (im bildlichen Sinne des Videos wohl gemeint).

Trackliste

  1. 1. I'm Not Deaf, I'm Ignoring You
  2. 2. Monsterdruckdriver
  3. 3. Someday
  4. 4. The Game Is Not Over Feat. Miss Kittin
  5. 5. Drown In The Sea While Watching The Stars
  6. 6. Rabaukendisko
  7. 7. Wir Kinder vom Bahnhof Strom
  8. 8. A Million Brothers (Blah Blah Blah) Feat. MC Soom T
  9. 9. Querstromzerspaner
  10. 10. Radio Blackout
  11. 11. Musick Boy

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