laut.de-Kritik
Die Stecker bleiben drin, und das ist gut so.
Review von Manuel BergerDer Begriff "Unplugged" war ja schon immer sehr dehnbar. Dass ein Künstler bei so titulierten Konzerten tatsächlich ohne Stecker agiert, passiert in den seltensten Fällen. Bei Tash Sultanas "MTV Unplugged"-Gig hat der Titel allerdings schon etwas stark Ironisches. Mit Synthesizern und E-Gitarre eröffnet sie das Set, wenig später kommt die Drum-Machine dazu, es wabert und fiept und summt und zirpt überall; die Loop-Station läuft sowieso und im zweiten Track springt auch noch ein Reverse-Effekt an. Wäre wohl andernfalls kein Tash-Sultana-Konzert.
Seis drum. Zwar bekommt man mit "MTV Unplugged (Live In Melbourne)" nicht, was drauf steht. Was man bekommt, macht trotzdem Spaß. "Unplugged" bedeutet in diesem Fall einfach, dass Tash ein ruhigeres Set als bei "normalen" Gigs spielt (weshalb wohl auch der energischere Durchbruchshit "Jungle" fehlt), die Stücke teils entsprechend umarrangiert und öfter die Akustikgitarre rauskramt, zum ersten Mal bei "Crop Circles". Der Song erreicht fast die doppelte Länge seiner Studioversion; wie üblich nutzt Tash live die Improvisationsoffenheit der Kompositionen voll aus. Plötzlich gewinnt "Crop Circles" sogar noch einiges an dynamischer Range.
Die nach "Terra Firma" getroffene Entscheidung, fortan nicht mehr ganz allein auf die Bühne zu steigen, sondern einige Mitmusiker:innen zu engagieren, zahlt sich voll aus. Statt nur mit sich selbst bzw. einem Looper zu interagieren, kann Tash beim Improvisieren so deutlich freier vorgehen, Tempi weniger formelhaft variieren, dramaturgische Breaks effektiver setzen und wie bei "Willow Tree" komplexere Rhythmusfiguren einbinden. Kurzum: Das Set wird lebendiger, abwechslungsreicher. Zumal Drummer, Bassist und die Keyboarderin hie und da strahlen, statt ausschließlich eine Unterlage zu liefern. Für "Dream My Life Away" kommt zusätzlich Singer/Songwriter Josh Cashman ins üppige Stage-Setup.
Tash selbst wechselt die Instrumente ständig, spielt neben diversen Gitarren auch Saxophon, Schlagzeug, Piano, Percussion und klar: singt. Wobei letzteres in der Jam-freudigen Atmosphäre eher zur Nebensache gerät. Dass Tash auch ohne all diesen Schnickschnack auskommt, zeigt das australische Musik-Phänomen unter anderem im aufs Nötigste reduzierte "Coma" und dem solo auf der Akustischen vorgetragenen Bon Iver-Cover "Flume". Aha, es ginge also doch unplugged. Spätestens wenn zum Abschluss die vertrauten, träumerischen Reverb-Akkorde von "Notion" erklingen, freut man sich aber doch, dass Tash die MTV-Einladung einfach genutzt hat, um ein möglichst rundes Livealbum zu basteln, statt es mit der Namensgebung allzu genau zu nehmen.
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