laut.de-Kritik

Die Folkprinzessin und der Soundtrack ihres Lebens.

Review von

Eine schöne Stimme hat sie ja schon, die Tess Wiley. Ihre Popeinflüsse hat sie jetzt mit zu Tapete nach Hamburg genommen und auf ihrem Album "Not Quite Me" country-folk-melodisch verpackt. Der erste gleichnamige Song verschreckt allerdings zunächst meine empfindlichen Ohren. Sängerinnen, die einen Vibrator verschluckt haben, fand ich schon immer gewöhnungsbedürftig. Unzumutbar damals die zitternde Kehle der Cranberries-Dolores, aktuell ergreife ich bei Dido schlagartig die Flucht.

Doch zum Glück verlässt der Frosch meine Sinne, und die gebürtige Texanerin entpuppt sich als sympathische Folkprinzessin. Das Zittern entschwindet irgendwo im Hinterkopf, und ich lasse entspannt meine Seele baumeln. Die Mixtur aus Country und Pop ist ein gelungenes Zusammenspiel. Mal schlummert man sinnlich im Kornfeld und lauscht der ruhigen Idylle ("How Does Silence Feel"), heult sich enorm die Augen aus ("Nature Of The World") oder schunkelt seine weißen Beine im warmen Sonnenschein ("Delicate Skin").

Das frühere Vorbild Slash hört man in Miss Wileys sehnsüchtigen Songs nicht wirklich heraus. Die Heavy-Kutte bleibt im Schrank. Heute reitet sie lieber mit Cowboyhut in die Soundrichtung von Jeff Buckley und Willie Nelson. Der Weg ist bekanntlich das Ziel. In die Popwelt trat sie 1995 schon als Gast-Sängerin und Gitarristin von Sixpence None The Richer, bald darauf machte sie Bekanntschaft mit der deutschen HipHop Formation Fettes Brot.

Streicherarrangements lassen die Landschaft erblühen, bis die poppigeren Hymnen ("My Fortress And My Shield") kurz die Zügel übernehmen und der erstickte Frosch noch mal in Erscheinung tritt. Tapete Records darf sich dennoch glücklich schätzen mit dieser Sängerin aus Houston, und Herr Darmstädter umso mehr, da er mit dieser charmanten Dame einige deutsche Städte musikalisch bereisen durfte. In ihrer Heimat ist sie schon ein Star. Bleibt abzuwarten, welche Erfolge die junge Dame mit der Gitarre hierzulande hinterlässt.

Trackliste

  1. 1. Not Quite Me
  2. 2. How Does Silence Feel
  3. 3. Let It Come
  4. 4. Nature Of The World
  5. 5. Revelry
  6. 6. Delicate Skin
  7. 7. My Fortress And My Shield
  8. 8. Falling In And Out
  9. 9. Happy Now
  10. 10. This Shadow

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