laut.de-Kritik
Ein Stadion-Spektakel der Superlative.
Review von Kai ButterweckFrontmann Mikel Jollett hat es wahrlich nicht leicht: Wer mit Künstlern wie Bruce Springsteen, Brian Fallon und Caleb Followill in einen Topf geworfen wird, der sitzt in der Regel zwischen den Stühlen. Da ist auf der einen Seite dieses instinktive Verlangen nach Arenaluft und abertausenden Händen, die sich gen Nachthimmel strecken, während auf der anderen Seite das Musikerpolizei-Teufelchen die Fäuste ballt und inständig nach vertrackten und anspruchsvollen Gegenpolen verlangt, um den tiefen Fall ins Mainstream-Nirvana zu verhindern.
Doch der Sänger und Songwriter des kalifornischen Indie-Rock-Fünfers hat mittlerweile den Dreh raus. Bester Beweis dafür ist das neue Album. Bereits auf dem Opener "The Secret" verbindet sich sein detailverliebtes Songwriting mit der leidenschaftlichen Garage-Attitüde des Backgrounds zu einem voluminösen Kraftpaket. Spätestens wenn sich im Refrain die komplette Belegschaft in den Armen liegt und zum flächendeckenden Ohoho-Chor ansetzt, ziehen sich die Hörer-Mundwinkel hoch in Richtung Wangenknochen.
Das epische Verlust-Drama "Timeless" setzt nahtlos an. Abermals vereinen sich knarzige Hintergrund-Sounds und betörende Harmonien zu einem fesselnden Stadion-Spektakel der Superlative. Auch das anschließende "What's In A Name" lässt in punkto Emotionen keine Wünsche offen. Mit reichlich Feuer unterm Dach schält sich der Song wie ein im Jahre 2013 aufgenommener "Darkness On The Edge Of Town"-Bonustrack durch die Boxen.
"The Storm" führt den Hörer zunächst in die Irre. Statt der erwarteten Energie des Vorgängers breitet sich balladeskes Picking aus. Erst nach zweieinhalb Minuten verabschiedet sich Jolletts leidendes Organ und macht Platz für sich auftürmende Gitarrenwände.
Das folgende "Safe" beginnt mit trippelnden Piano-Klängen und abseitigen Streichern, ehe sich - wie bereits drei Minuten zuvor geschehen - alle Beteiligten zum emotionalen Kräftemessen versammeln und den hochgeschaukelten Gefühlen freien Lauf lassen.
Bevor sich erste Zeigefinger erheben, um vermeintlich festgefahrene Strukturen anzuprangern, wechselt die Band die Garderobe und flitzt mit luftig lockeren Folk-Rock-Boots durch die Studiogänge ("Bride & Groom").
Nicht minder rasant präsentiert sich "True Love". Der wahren Liebe huldigend, trällern sich Mikel Jollett und seine Kollegin Anna Bulbrook mit Inbrunst durch die fünfziger Jahre und hinterlassen dabei reichlich schweißgebadete Leiber.
Das Ende naht, welch ein Jammer; denn mit den beiden aufwühlenden Laut-leise-Juwelen "This Is London" und "The Fifth Day" sowie dem kuscheligen Abschiedsgruß "Elizabeth" nähren die Verantwortlichen das Verlangen nach weiteren musikalischen Langzeit-Perlen, dass es fast schon schmerzt.
Zum Glück scheint das europäische Publikum bei den Kaliforniern in den vergangenen Jahren einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Auf der "European Edition" wird mit "Dublin" und "The Way Home" nämlich noch ein äußerst einladender Nachtisch serviert. Schmecken lassen!
5 Kommentare mit einer Antwort
ihr verschenkt im moment aber auch die 5*
erst Arctic Monkeys, dann Manic Street Preacher jetzt ATE...
das album ist zwar gut, aber auch maximal 4*!
Liebe Laut Redaktion,
ihr solltet wieder eine 10er Wertung einführen. Da könnte man besser differenzieren, zumindest einsichtiger als allem Gutem im September gleich ne 5 zu verpassen. Nichts gegen den September immerhin mein Burzelmonat, von da aus immer eine 5.
Einsichtiger sind eventuell die ersten Zeilen von 2Raumwohnungs - Bei Dir bin ich schön
"Bei Dir bin ich schön,
das ist ein Phänomen.
Auf der Skala 1 - 10
Bei Dir bin ich zehn.
Ich kann mich selbst nicht so seh'n,
vielleicht klingt das schizophren.
Ist aber angenehm,
bei Dir bin ich schön."
Immerhin 4 bewertet, ja was nuh? Eher 8 oder doch "nur" 7? Das ist das Dilemma einer 5er Wertung!
Bitte ändert das!!!
Gruß Speedi
Nee, das 5-Sterne-Schema ist schon total in Ordnung. Gerade dass das soviel Toleranz enthält, finde ich nämlich gut.
Die ersten beiden Alben dieser Band habe ich mir dieses Jahr gekauft-meine größten Fehlkäufe des Jahres, überhaupt nicht mein Geschmack.
Aber freut mich, wenn das so gefällt.
Das erste ATE Album war ziemlich geil, erfrischend, gute Songs, auf dem zweiten wollten sie schon unbedingt ins Stadion, da sind sie jetzt... und triefen vor Langerweile...
Nummer drei hat ja ewig auf sich warten lassen. Wohingegen das Album in USA schon im Frühling auf den Markt kam, mussten wir hier in Good Old Europe bis September warten. Was bei bereits gekauften Konzertkarten etwas blöd ist, wenn Album 3 doch enttäuschen sollte. (wäre nicht das erste Mal, das es bergab ginge). Zum Glück kann TATE auch dieses Mal wieder (meine lyrische Seele) begeistern. Richtig wirken kann das Album (vor allem Timeless) natürlich eher live. Aber auch im stillen Kämmerlein treffen die Texte und Mikel Jolletts Stimme wieder genau ins Schwarze. Schön finde ich persönlich, dass Anna Bulrock etwas präsenter im Gesang ist als in den älteren Alben.