laut.de-Kritik

Batman trägt jetzt Stockings.

Review von

Sollte es die Diagnose Hyperaktivität im Showbiz geben, heißt ein Betroffener Brian Setzer - gefühlt jedes Halbjahr erscheint ein Studioalbum, eine Live-CD oder DVD wahlweise mit den Stray Cats, dem Brian Setzer Orchestra oder dem Meister himself solo. Aktuell "Don't Mess With A Big Band" - ein Live-Doppeldecker mit 19 Songs, aufgeführt in Japan.

Brian und Spießgesellen werden nicht müde, zwei große alte Untote der Musikgeschichte zu bemühen: Gevatter Big Band-Swing und dessen räudiger Enkel Rockabilly. Kaum auf Gunther von Hagens' unheiligem Seziertisch gelandet, durchkreuzt Setzer auch schon mit Gretsch, Kontrabass und Trompeten die Pläne von Doktor Düster.

Die Auswahl der Songs zeigt einen munteren Querschnitt durchs Schaffen. Zu Beginn lässt Setzer seiner Vorliebe für TV-Soundtracks der US-Sechziger freien Lauf. Zu quengeligen Gretsch-Einlagen erklingt Neil Heftis "Batman"-Thema aus der schrägen Serien-Adaption mit dem unvergesslichen Adam West als Flattermann.

"Drive Like Lightning (Crash Like Thunder)" taugt mal wieder als exemplarischer Beweis der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Rockabilly und Big Band. Nicht fehlen darf natürlich das Instrumental "Sleepwalk", einst ein Hit für das Duo Santo & Johnny. Im Lauf der Zeit hat sich Setzer längst zum Überdaddy für diese phantastische Nummer entwickelt. Immer wieder faszinierend, was er an neuen Improvisationen aus dem Stück herausholt.

Außerdem: Wozu eigentlich jedes Jahr krampfhaft nach einem Sommerhit suchen? Es gibt doch seit Jahrzehnten Eddie Cochrans "Summertime Blues" - dessen geniales Opening-Riff ist bei Brian in besten Händen.

Die "Runaway Boys" aus Stray Cats-Tagen eröffnen CD zwei. Natürlich grüßen die unvergessenen "Gene & Eddie", bevor mit dem formidablen "Fishnet Stockings" eine im Liverepertoire seltener eingesetzte Nummer die Fifties-Milchbar erbeben lässt. Weiteres Highlight: "Gina", eine quirlige Rockabilly-Rootspop-Nummer mit dem unnachahmlichen Melancholy Style der späten Fünfziger und frühen Sechziger.

Als Manko gibt stellenweise die technische Umsetzung Grund zum Nörgeln. Oft hören sich die Drums etwas dumpf an, manchem Mitschnitt mangelt es zudem am einem differenzierten Soundbild, unter dem besonders die Dynamik leidet.

Die Bläser und Brians Gitarrenspiel kommen dagegen gut weg, auch wenn der Überraschungseffekt des inzwischen an Frische eingebüßt hat. Es scheint schwierig, dieser Soundkombination etwas grundlegend Neues hinzuzufügen.

Doch an neuen Betätigungsfeldern sollte es nicht mangeln. Statt das Orchester-Ding über Gebühr zu strapazieren, sollte Setzer lieber ein altes Versprechen einlösen: 2005 veröffentlichte er mit "Rockabilly Riot" ein großartiges Soloalbum samt Cover-Schätzchen aus der Ära der legendären Sun-Records (Elvis, Roy Orbison, Johnny Cash) namens "Vol. 1". Wie wärs denn endlich mal mit "Vol. 2"?

Trackliste

CD

  1. 1. Batman
  2. 2. Drive Like Lightning (Crash Like Thunder)
  3. 3. '49 Mercury Blues
  4. 4. Good Rockin' Daddy
  5. 5. Your True Love
  6. 6. The Dirty Boogie
  7. 7. Sleepwalk
  8. 8. Honey Man
  9. 9. This Cat's On A Hot Tin Roof
  10. 10. Summertime Blues

CD 2

  1. 1. Runaway Boys
  2. 2. Gina
  3. 3. Gene & Eddie
  4. 4. Fishnet Stockings
  5. 5. Stray Cat Strut
  6. 6. Jump Jive An' Wail
  7. 7. Rumble In Brighton
  8. 8. Rock This Town
  9. 9. The House Is Rockin'

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