laut.de-Kritik
Spoken Word, Gesang & Geräusche.
Review von Philipp KauseIn den Song "All For The Life Of The City" lassen The Flaming Lips eine sehr markante Bassgitarre hineinplatzen. Die Art-Rocker aus Oklahoma, fast der exakten Mitte der USA, tunken dieses Riff als dröhnenden Widerhall in eine Flut aus wohltönendem Fiepen und Aufheulen der poppigen Melodie. Die 'brennenden Lippen' tun, was sie immer taten.
Dieses Mal erzählen sie die Geschichte vom Mund eines Königs, "King's Mouth". Dass dieser Mund anscheinend auch mal zum Zahnarzt muss, davon künden die Industrial-Schlusstöne von "Electric Fire": Da klingen die Verstärker tatsächlich wie das Instrumentarium einer Dentalpraxis.
Es wäre einfach, an die Folk-Tradition von Fairport Convention und so mancher Sixties-Bands anzuschließen und als moderne Barden eine mittelalterliche Story auszubreiten. Die Gestaltung aber klingt so, wie sie technisch erst seit den späten 1970er Jahren mit Hilfe diverser Synthesizer-Geräte, Sequencer und Verzerrer möglich wurde. Einzelne Kleinode wie das fragmentarische "Mother Universe" scheinen gar so, als seien sie der jüngeren elektronischen Musik des Warp-Labels entsprungen.
Traumhaft und sprunghaft choreographierte Überleitungen unterbrechen den Fortgang der Geschichte, die immer wieder von besagtem König handelt. Daher lautet der Untertitel CD-Review: "Music And Songs".
Nicht selten kontrastiert die Platte sehr hohe Gesangs-Tonlagen wie in "Giant Baby" mit Spoken Word-Passagen einer tiefen Erzählerstimme. Verfremdungen der Vocals mit Echo-Effekten und Zeitraffer-Beschleunigung sorgen stetig für Überraschungen. Anderenfalls wäre die Platte fast schon langweilig.
Die wahren Freuden löst das Album auf der Detail-Ebene aus, sofern man auf Klangspielereien steht. Die Songs an sich sprechen zwar wohl alle Britpop-Fans mit ihren zuckrigen Melodien an, wirken aber mitunter wie schon einmal gehört.
Der Plot der Konzeptgeschichte rankt sich um ein riesiges Baby, "Giant Baby". Der zugehörige Song, quasi die 'Exposition' des Album-Dramas, charakterisiert sich als mittelschneller Gitarren-Track, von ein paar lustigen Moog-Effekten abgesehen. Wie bei den Lippen üblich, überwiegt das Surreale der Texte die Logik bei weitem und dienen die erzählerischen Elemente als Aufhänger für Soundexperimente.
"How Many Times" lässt sich als typische The Flaming Lips-Produktion liebhaben: Die harmonische Melodie untermauert alles, während psychedelisch gegen den Strich gebürstet Moog-Orgeltöne für Bewegung sorgen. Akustische Gitarren treten mit elektronischem Störfeuer ins Duell, das unentschieden endet oder gar nicht - fließt doch ein Track in den nächsten. Die gelegentlichen Spoken Word-Einschübe trägt The Clash-Gitarrist Mick Jones vor.
The Flaming Lips haben erneut eine stimmungsreiche Platte geschaffen, die etwas abstrus wirkt und die Produktionstechniken verschiedener Jahrzehnte zusammenzuführen scheint. Begleitend wird ein von Frontmann Wayne Coyne gestaltetes Buch namens "King's Mouth: Immerse Heap Trip Fantasy Experience" die Handlung des Musikalbums erläutern. Schaut man aufs Plattencover und hörte man die Musik, dürfte dieses Buch grell und bunt aussehen.
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