laut.de-Kritik
US-Emo aus der Obi-Kleisterabteilung.
Review von Matthias MantheHoffentlich besitzt AJ Mogis eine gute Versicherung gegen Schönheitsfehler. Denn das, was uns der renommierte Haus-und-Hof-Produzent von Saddle Creek hier zusammengeflickt hat, schreit geradezu nach "Geld zurück"-Garantie. Auch der Autor schließt sich der Sammelklage an, bieten die 38 Minuten mit der Wettervorhersage aus Illinois doch wenig gute Aussichten.
Auf "Late Night Conversations" prangt zwar ganz dick und mit wasserfestem Edding "EMO". Allerdings kommt der klangtechnisch eher aus der Obi-Kleisterabteilung denn aus dem amerikanischen Mittelwesten, so 08/15-Otto-Normal diese klischeetriefende Hausmannskost. Leider geben die Vier nicht einmal gute Handwerker ab. Ganz unoriginell klaut man From Autumn To Ashes-Riffs, die im weich gepolsterten Umzugswagen landen. The Forecast tapezieren ausschließlich nachts bei Sternenhimmel, wo die ersten Renoviergehilfen schon feuchte Äuglein bekommen, weil die Tränentapete gar herzallerliebst ausschaut.
Wenn dann die Mitternachtsgespräche einsetzen, so über "life, love, pain & regret", werden zum Rotwein aus dem Tetrapack Herzen ausgeschüttet. Und wenn der Gesprächsstoff ausgeht, greifen Männlein (Dustin Addis) und Weiblein (Shannon Burns) halt zum Mikro und bannen die übliche Falsetto-Weichspülmischung zweier Stimmen auf Band. Natürlich kalt geschleudert, nur kein Risiko. Dabei kann hier nichts mehr einlaufen, so klein ist das. Wer zwischen Track 1 und 10 auch nur ein Highlight findet, war wohl mit dem Elektronenmikroskop unterwegs.
Zielloses Geschrammel um seiner selbst Willen gefällig? Bitte an den beiden Sechsminütern versuchen. Sie leiden wie die hier besprochenen Musiker unter Schlaflosigkeit? CD rein und süße Träume.
Auch die Lyrics "wagen" den allzu bekannten Ritt durch zerrüttete Gefühlshaushalte: "These Lights" etabliert den klassischen Emo-Jahreszeitenkummer zum Sommerende. Woanders dreht es sich um anscheinend noch nicht zu Tode gelatschte Nachhausewege und den Abschied von Freunden. Bisschen was über Alkoholmissbrauch und verschwendete Zukunft addiert, fertig. Die schön unkonkret bleibende Phrasendrescherei verschreckt sicherlich keinen verträumten Scheitelträger mit zu viel Klarheit. Trotzdem schlafen auch hartnäckige Emo-User bei gefühlten anderthalb Stunden Gleichklang ein. Die Platte hakt, das haben The Forecast beim letzten Stück sogar mit Kratzgeräusch nachgestellt. Herrlich selbstironisch.
Schmunzeln muss man sowieso. Wenn nicht ob der künstlerischen Dreistigkeit, dann dank dummbrotiger Wortketten wie diesen: "Some are cutting themselves / while others rely on pills / which leads to finding your father’s gun / and saying this life’s not worth living", halten die Jungs und Mädchen beim Stuhlkreis zum Thema Jugendsterblichkeit fest. Ja, das macht betroffen. Womit ich selbstverständlich die Platte meine. Bandname und Albumtitel weisen deutlich auf Wiederkäuerei hin, das Cover tut sein Übriges. Kann hinterher keiner behaupten, nicht Bescheid gewusst zu haben. Gegen den aufgesetzten Pathos in der quacksalbernden Kaugummi-Quietschstimme von Nölkopp Burns erscheint selbst [irgendeine Vorabend-Seifenoper einfügen] dramatisch und adrenalinfördernd. "Let’s talk about all the feelings weeeeeeeeee have" - nö danke, lass mal.
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