laut.de-Kritik
Samtweich säuselt der alte Soul-Star smoothe R'n'B-Schnulzen.
Review von Stefan JohannesbergDer Sturm tobt. Odysseus steht am Steuer seiner griechischen Galeere. Meterhohe Wellen rollen über das Deck. Die Mannschaft sitzt zusammengekauert hinter den Ruderbänken. Schutzsuchend. Doch auf dem Höhepunkt des Orkans findet urplötzlich eine schmachtende Stimme das Gehör der Besatzung. Odyseus' Mannen lauschen wie hypnotisiert dem Rettung verheißenden Gesang. Land kommt in Sicht. Doch anstatt wunderschöner Sirenen hockt auf der Klippe der alternde R'n'B-Barde Ron Isley und säuselt samtweich seine smoothen Soul-Schnulzen.
Selbst hartgesottene Seebären schmelzen bei Songs wie dem zuckersüßen "Lucky Charm" oder der smoothen Kopfnickerhymne "Take A Ride" wie Schokostreusel in der Sonne. "Candy star, silver moon. Cherry rain, summer June. Chocolate me, caramel you. My lucky charm is what you are", haucht Ron eunuchenhaft und verführerisch zugleich ins Micro.
Bei "What Would You Do" bricht die Zeit der Zärtlichkeit an: "Hello Ladies, Can I Keep It Real and Say Whats On My Mind?", fragt er die Frauen. Ein stöhendes "Yeaah" bringt als Antwort die Schweißporen zum Tanzen. Man(n) wäre gerne an seiner Stelle. Da schreckt gar ein schneller "Body Kiss" von und mit Lil' Kim nicht ab.
Neben Meernixe Ron kuscheln auch Bruder Ernie Isley und Produzent R. Kelly auf der Klippe um die Watte. Ernie zupft lässig funky an seiner Gitarre, während Superstar Kelly zurückhaltend an den Keyboards rumdoktort. Der Sound des kongenialen Duos lässt Zwitschertante Ron dank minimalistischer Moderne gerade genug Platz, seine Gesangsharmonien zu entfalten.
Und die grooven wie Hölle oder besser wie Hades. Altmeister Isley hat den Sprung ins kalte Wasser der Gegenwart überlebt. Nach unzähligen Gastauftritten bei Rap-Acts wie Wu-Tang Clan, Mobb Deep, Jadakiss oder Snoop Dogg weiß er, dass auch R'n'B-Vocals bouncen können.
Kein noch so gefühlsarmer Mensch dürfte diesem Album (oder auch allen anderen Isley-Platten) widerstehen können. Hätte Altertumsdichter Homer anstatt wunderschöner Sirenen die Isley Brothers für sein "Ilias"-Epos verpflichtet, die Odysseus-Sage wäre schmachtend an jenem Felsen zerschellt.
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