laut.de-Kritik
Eine Sammlung gelungener B-Seiten und Raritäten.
Review von Simon Conrads"Weil wir nicht touren können", so tönen derzeit viele Bands, "schenken wir euch hier dieses neue Album." Das vernachlässigt natürlich die andere Seite der Medaille: "Weil wir mit touren kein Geld verdienen, würdet ihr uns ein riesiges Geschenk machen, wenn ihr unsere neue Platte kauft." Aber gut, dass Marketing nicht über uneingeschränkte Ehrlichkeit funktioniert, ist klar, deshalb kann man The Kills ihre neue B-Seiten- und Raritäten-Platte "Little Bastards" auch nicht übel nehmen.
Nicht mal, wenn Jamie Hince im Interview mit dem australischen Rolling Stone verrät, dass die Idee zum Album vom Label-Chef kam. Nicht mal, wenn die Platte verdächtig kurz vor Weihnachten erscheint. Das liegt vor allem daran, dass "Little Bastards" nicht wie eine Sammlung von Studio-Abfall daherkommt, sondern tatsächlich über weite Strecken starke Songs liefert. Dass bei zwanzig Titeln auch der ein oder andere weniger überzeugende Track dazwischen sitzt, ist zu verkraften.
Die gesammelten Werke entstammen wohl hauptsächlich der ersten Dekade des Duos, genauer den Jahren 2002 bis 2009. Einer Zeit, in der man für Single-CDs und Deluxe-Versionen noch B-Seiten produzieren musste, wie Hince im erwähnten Interview weiter verriet: "Und ich weiß noch, wie ich damals war, weil es sich so anfühlte, dass wir das für einen Marketing-Nonsense machen und ich das gehasst habe, aber jetzt bin ich wirklich dankbar dafür. Weil du einen Song dann an einem Nachmittag geschrieben hast, ist das ziemlich pur, weißt du?" Dieses Aus-dem-Ärmel-Geschüttelte, das den Songs anhaftet, steht wenigen Bands so gut wie The Kills, deren Sound ja ohnehin auf das Nötigste runter gebrochen scheint: Drum-Machine, das melodisch-rohe Geschrammel von Hince und die lasziven Vocals von Alison Mosshart. Dass die Songs schon einige Jahre auf dem Buckel haben, merkt man ihnen nicht an.
Der Opener "Superpowerless" ist ein ziemlich typischer The Kills-Song, die Gesangsmelodien erinnern stellenweise an "Future Starts Slow". Garage-Rock, der oberflächlich wie ein eingefangener Jam klingt, bei dem einfach eine Drum-Machine angeschmissen wird, Hince auf der Gitarre rumprobiert und Mosshart halt ins Mikro haucht. Die Zweitstimme von Hince wirkt oft so, als wüsste er gar nicht, dass sein Mikro an ist, fügt sich aber gerade dadurch wunderbar in die treibenden Kompositionen ein. Lyrisch geht's hier um versoffene Flirts, die aber doch nicht ganz das Wahre sind: "Take a drink of mine / I've got enough to go around / 'Til you're drunk, 'til you're high, 'til you're fake, 'til you're crushed". Nicht alles ist Gold, was sexy ist oder Spaß macht. Das selbe Sentiment scheint auch in "Weed Killer" durch, wenn Mosshart singt: "Oh, you were my badge of honor / Oh, you were my favorite one / But, you've become a sour poison / You've become my big problem".
Bei Titeln wie "Kiss The Wrong Side", "Run Home Slow" und "Sugar Baby" (ein Dock Broggs Cover) leihen The Kills sich die Noise-Ästhetik von The Velvet Underground und klingen auch dabei überzeugend. In "Magazine" und "Jewel Thief" versuchen sich die beiden weniger überzeugend an Country. Die Cover von Screamin' Jay Hawkins "I Put A Spell On You" und Howiln' Wolfs "Forty Four" geraten wiederum absolut solide.
Das einzige bisher unveröffentlichte Stück ist das knallige "Raise Me", das vor allem auf fetten Beats aufbaut. Man wundert sich, dass der Song es seinerzeit nicht auf "Midnight Boom" geschafft hat.
Besonders stark auch "I Call It Art", ein Quasi-Cover von Serge Gainsbourgs "La Chanson De Slogan". Die Tragik des Originals steht den Kills wunderbar zu Gesicht. Das Albumhighlight ist allerdings "London Hates You", das an "Pleasure" von Feist erinnert und in dem sich Hince und Mosshart mal melancholischeren Klängen hingeben. Insgesamt ist "Little Bastards" also eine gelungene Compilation, die vor allem als kleiner Appetizer für das neue Studio-Album funktioniert, an dem die Band derzeit arbeitet.
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