laut.de-Kritik

Was war zuerst da: der Beat oder das Riff?

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Kaum eine Sparte hat in den letzten zwei Jahren den Punk so beeinflusst wie die Elektronik. Nachdem bereits alles andere synthetisiert wurde, haben nun anscheinend auch die Punks endlich mal genug Geld für einen schwarzen Kasten. Vor allem der Tanz hat es den 4/4-Takt-Verehrern merklich angetan und selbst heiligste Rock-Institutionen wie die Yeah Yeah Yeahs oder die White Stripes haben den Hintern-Move gefressen.

Wo früher noch wild getreten wurde, tanzt man nun energisch mit Style. The Rapture sind da geschichtlich ähnlich bewandert, lehnen sich aber mit Abstand am weitesten aus dem Fenster. Ihre Verschmelzung von Punk und Dance ist schon so stark verwischt, dass die ursprünglichen Einflüsse kaum mehr auszumachen sind. Was war zuerst: der Beat oder das Riff? Von alten Post-Core-Gassenhauern nehmen sie den Groove und das Riff schwingt mit elektronischer Hilfe das Tanzbein.

Vier Vollblut-Mucker und Vollblut-Freaks stellen so mal kurz ein reines House-Stück neben einen Power-Akkord. Das ist nicht nur im Herzen noch Punk, sondern folgt streng dem einzigen Grundsatz, dem der Punk je gefolgt ist: tu was du willst. Gut ein Jahrzehnt nach ihrer Gründung haben The Rapture es endlich mal geschafft, ein komplettes Album aufzunehmen. Mit gut dotiertem Vertrag im Gepäck (Universal zahlte ihnen satte 1,5 Millionen Dollar für eine Unterschrift) zelebrieren sie Musik. Halten eine Messe ab für House, Funk, Punk, ein bisschen Jazz und ganz viel Groove.

Und ganz wichtig: Man schert sich einen Dreck um irgendwelche Genre-Definitionen. Ein roter Faden ist hier ein Fremdwort. The Rapture schreien (eben das vielzitierte "House Of Jealous Lovers") und leiden (das überflüssige "Open Up Your Heart"), während um sie herum alles schon beim Tanzen ist. Bei der Hey-Hey-Hymne "Sister Saviour" muss aus dem Handgelenk geschnipst werden, auch wenn es verdammt noch mal schwachsinnig aussieht. Das leidige Händeklatschen ist genauso gerne im Rapture-Universum gesehen. Und selbst beim Semi-Hit "House Of Jealous Lovers", der seinen Hype-Peak auch schon eine Weile überschritten hat, muss immer noch mitgewackelt werden.

Die vier New Yorker führen bei fast jedem Song einen dick auftrumpfenden Rhythmus mit, der sich – egal ob maschinell oder menschlich gefertigt – so lange aufdrängt, bis er auch in den letzten Gliedern sitzt. Einprägsame Melodien sind bei den schrägen Stimmen von Luke Jenner und Mattie Safer dagegen sehr spärlich. Schlussendlich ist es egal, wo man The Rapture einordnen möchte. Die Vergleiche stapeln sich hoch und fassen am Ende doch nur die Spitze des Eisbergs. Einen so ungenauen Trennungsstrich zwischen Dance und Rock haben weder Radio 4 noch Hot Hot Heat und schon gar nicht Electric Six hingekriegt.

Trackliste

  1. 1. Olio
  2. 2. Heaven
  3. 3. Open Up Your Heart
  4. 4. I Need Your Love
  5. 5. The Coming Of Spring
  6. 6. House Of Jealous Lovers
  7. 7. Echoes
  8. 8. Killing
  9. 9. Sister Saviour
  10. 10. Love Is All
  11. 11. Infatuation

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