laut.de-Kritik
Kampfansage gegen die Lemminge des Neoliberalismus.
Review von Hannes HußWer kennt das nicht? Schöner All-Nighter im Coworking-Space. Revenue-Flow muss adjustiert werden, morgen ist Conference mit den Shareholders aus L.A. Schön fünf Red Bull kippen. Dass der Körper vibriert, macht nix. Die Präsentation muss noch unbedingt fertig werden. Außerdem ist ja morgen noch Treffen mit der Ortsgruppe Berlin-Mitte der FDP. Da braucht es noch einen Pitch für die neue Campaign Strategy im Project Community Outreach. Work, Work, Work. "You better work, bitch". Oder, wie The Screenshots sagen: "Glaub an deine Träume, manche werden wahr!"
Nur, sie meinen das eben nicht so ernst wie Britney damals. Dax Werner, Kurt Prödel und Susi Bumms schauen lieber belustigt auf die Lemminge des Neoliberalismus, die ihr Leben nach dem Handbuch "BWL Für Dummies" ausgerichtet haben und auf deren blassen Körpern bestimmt irgendwo "Wachstum, Wachstum, Wachstum" tätowiert ist. Die beißendste Kritik ist sicherlich die Leadsingle "Träume (feat. LGoony)". Dazu legen sie simpel scheppernden Indie-Rock vor, der klar auf das Garagerock-Revival der 2000er verweist. Sänger Dax röhrt dazu herrlich, kann aber auch zuckersüß affektiert daherkommen. LGoony spittet dazu Lines wie "Im Anzug in die Schule / Christian Lindner-Swag".
In eine ähnliche Kerbe schlägt "Wir Lieben Uns Und Bauen Uns Ein Haus". Hier zielt die Band auf Vorstadt-Spießer statt Starbucks-Stammgäste. Sie übernehmen sogar die Perspektive derjenigen. Mit honigweicher Stimme singt Werner vom Traum des Eigenheims. "Ich hab viel zu lange rumprobiert /.../ es ist Zeit, den nächsten Schritt zu gehen." Dazu gaukeln Streicher eine liebliche Rosamunde Pilcher-Schnulze vor, bis es niemand mehr erträgt. Dann bricht die Band in wilden Post-Punk aus, während Werner anklagt: "Früher waren wir wild und unbequem". Das Mantra "Mit harter Arbeit werden Träume wahr" tropft vor Zynismus. Zu klug scheint die Band, um an 50er Jahre-Wirtschaftswunder-Nostalgie zu glauben. Träume werden eben nicht immer durch harte Arbeit wahr.
"2 Millionen Umsatz Mit Einer Einfachen Idee" strotz nur so vor cleveren Beobachtungen zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie. "Für Immer Niemals Da" erzählt im Stil von "Electric Guitar" eine mittelständische Coming-Of-Age-Geschichte, allerdings von jemandem, der sie nicht hatte. "Klassenfahrt ins Ausland / The Fast And The Furious Teil 2 / 2003 / ein eigener Fernseher im Zimmer / Eltern mit Abschluss und viel Zeit / ohne mich" offenbart das Dilemma der Band hier. "The Fast And The Furious Teil 2"? Ziemliche Testosteron-Kacke. Aber gleichzeitig die Geborgenheit der gutsituierten Eltern? Eben doch wünschenswert.
Auch "Airbnb" findet kein wirkliches Urteil über sein Subjekt. Dieses ist gar nicht die gleichnamige Wohnungsbörse, sondern irgendein Typ, der seine Wohnung darüber untervermietet. Diese nennt er schon "sein kleines Hotel" und fordert seine Gäste aus Chicago, Tunis und der ganzen Welt auf: "Ihr müsst sofort was sagen, Leute / wenn euch mal was nicht gefällt!" Die neoliberale Selbstvermarktung vorbildlich verinnerlicht. Gleichzeitig finden ihn die Screenshots doch ganz drollig. Ständig wird er aus seiner eigenen Wohnung vertrieben und schläft deshalb bei Bekannten. Bei einem säuselt er sogar: "Ich bin heute bei dir aufgewacht / würd' gern für immer bei dir sein." Romance 2020. Doch bevor er sich nochmal umdreht und weiterschläft, kommt die Realität: "Morgens halb zehn in Deutschland / Check-Out-Time!"
"Manchmal" spielt noch stärker mit Ambivalenzen. An der Oberfläche ein simpler Indie-Rock-Song, so mit schnellen (aber nicht zu schnellen) Gitarren-Stakkatos, kräftigem Schlagzeug und nicht zu viel Bass. Aber Dax Werner scheint dauerhaft mit dem Auge zu zwinkern, als wolle er uns wissen lassen, dass das hier alles nicht zu ernst zu nehmen ist. "Manchmal da denk ich nur an dich / aber meistens dann doch nicht" ist so gnadenlos simpel, ironisch und doch gleichzeitig irgendwie ernstgemeint.
Für "John Mayer" übernimmt Bassistin Susi Bumms das Mikro und legt eine herrlich lustlose und energiearme Performance hin. In ihrem "Dankeslied An Den Kitsch" wiederholt sie immer wieder "John Mayer hat mir gesagt / Mein Körper ist ein Wunderland". So lange, bis "John Mayer" wie "Jonmayaaaaaaa" klingt. Ihren Bass verzerrt sie dabei wie ein Fünftklässler, der zum ersten Mal eine E-Gitarre in der Hand hält.
Schwächen offenbart die Band nur dann, wenn das Pegel zu stark Richtung Quatsch ausschlägt. "Snacks" hat zwar ein Hammer Bass-Riff, verliert aber schnell seinen Charme. "Ich will eigentlich Snacks / doch du willst nur Sex" sorgt beim ersten Hördurchgang für Schmunzler, der Gag trägt aber nicht allzu lange.
Dieser kleine Ausfall fällt allerdings nicht ins Gewicht. Er steht eben Songs wie dem impressionistischen Post Punk-Banger "J@@@@@@@" (nur echt mit Geschrei der ganzen Band) gegenüber. Oder der poppigen Resignationsballade "Die Welt Geht Noch Nicht Unter" mit der Hammerzeile "Die Welt geht noch nicht unter / sie wird nur immer geiler / ich glaub, ich seh das anders / was denkst du?"
3 Kommentare mit 10 Antworten
musik sicher .. erwartbar. texte jaja... es ist einfach so eine sache, wenn sich inkarnationen von klischees (stichwort twitteria) über andere klischees lustig machen. hahaha fdp. hahaha starbucks. hahahahaha fitnessstudio. so doof. hihihihi. total originell. und jesus ist auch doof, das kann man dann leider auch bei der musik nicht so ganz ausschalten. typ dax werner, sonneborn und hrtgn halt einfach in ihrer selbstüberheblichkeit nur schwer länger als 3 tweets am stück zu ertragen, selbiges gilt auch für das album.
Mit den TITANIC-Referenzen haste mich jetzt doch neugierig gemacht. Gerade Sonneborn ist doch ein moralisch-intellektueller Balsam für die von Blödheit und Grausamkeit dominierte Öffentlichkeit.
COME ON!!!!!!
Verstehe ich! Scrennirgendwas bringen Platte raus! Aha Deutsch, alles klar! Gittare, Boom, klar Indie! Verstehe!
Ach ja lohnt selbstverständlich die Kleinkunst zu fördern!
Man, man Ärzte bringen neues Album raus, das nach 8 Jahren und das wichtigste Musikmag am deutschen Onlinedingens macht einen in Nachwuchsförderpreis!
Verstehe!
Wow nice, neuer Avatar! Sehr gute Ausrichtung, gefällt mir Stephan! Dein Post natürlich mal wieder unter aller Sau, aber das weißt du ja selbst.
Wer ist der Typ im Ava?
Hätte nen Seelöwen auf der Sandbank stimmiger und schön selbstironisch gefunden.
Unaussprechlich Lauti, frag mal rum hat letztens einer meiner "Hater" vorgeschlagen, finde die direkte Umsetzung auch schön selbstironisch.
Achso, unser persönlicher Board-Drachenlord hat jetzt also auch schon "Hater". Kann man sich nicht ausdenken.
Wen er "Hater" nennt, bezeichnen andere Menschen als "bei Verstand".
Bekannterweise, zieht sich ein jeder "Hater" den Schuh an, der ihm/ihr am besten passt.
Speedi, erstatte Bericht, Soldat: Wer ist der Kerl in Deinem Ava?
Bissle müde heute, wieder viel geschafft!
Lauti, ohne Scheiß , einer der bekanntesten "Männer" des Planeten. Wenn dir keiner die Frage beantworten will, von den üblichen Verdächtigen, dann wissen sie es vermutlich auch nicht oder trauen sich nicht seinen Namen auszusprechen.
Ratspielchen, das lieb ich ja. Na gut, gucken wir mal, wann wer mal ne Info dazu raushaut.