laut.de-Kritik
Großartige Zeitreise, die revolutionäre Wolllust schürt.
Review von Julia DörflerWarum fährt Keith Moon an seinem 21. Geburtstag einen Lincoln Continental in Unterhosen in einen Swimmingpool? Wieso verdienen Roger Daltrey und Co. für über 100.000 verkaufte Singles gerade einmal 250 britische Pfund? Weshalb möchte Noel Gallagher ein Basssolo auf seinem Grabstein?
"Amazing Journey: The Story Of The Who" ist ein turbulentes Porträt einer turbulenten Rockband, dass neben diversen Hard Facts auch mit exklusivem und bisher unveröffentlichtem Material glänzt und so einen tiefen Einblick in die Tiefen der legendären Band gewährt.
Die Darstellung der medialen Monotonie im England der 60er in Verbindung mit Piratenradios als einziger Rettung aus dieser Einöde sowie der Kampf zwischen Rockern und Mods lösen bei Spätgeborenen eine revolutionäre Wolllust aus, ganz nach dem Motto "I hope I die before I get old". Neben der idealistischen Attitüde erinnert die Dokumentation dieser vier Individuen und ihre unkonventionelle Art des Zusammenspiels einmal mehr an die Einzigartigkeit der Band in ihrer Originalbesetzung.
Somit haben Roger Daltrey und Pete Townshend, die heutigen The Who, mal wieder Geschäftssinn bewiesen und trotz unzähligen Who-DVDs einen ansehnlichen Film auf den Markt geschleudert. Persönliche Anmerkungen der Protagonisten gewähren dem 210 Minuten langen Film Einblicke in Handlungen und Hintergründe aus über vierzig Jahren The Who und macht ihn auch für Kenner der Materie sehenswert. Im Gegensatz zum "The Kids Are Alright"-Film geht die Reise auch zurück bis zu den Zeiten, als sich die Band noch The Detours und später The High Numbers nannte.
Die lange Reise der Quadrophenia-Rocker begleiten Kommentare von Sting, Noel Gallagher, The Edge und Eddie Vedder. Die Musiker beschreiben den immensen Einfluss der Band auf ihre Arbeit und erzählen von ihrem persönlichen Erleben der Who-Ära.
Während sich Disc One, "The Journey Of The Who", mit der Bandbiographie beschäftigt, beleuchtet die zweite Hälfte der Doppel-DVD, "Six Quick Ones" betitelt, die einzelnen Mitglieder und deren musikalische Innovationen, den Zusammenhang zwischen Pop-Art und The Who, eine noch nie veröffentlichte Performance aus dem Jahr 1964 im Railway Hotel sowie exklusive Aufnahmen der Studiosession von 2003.
Etwas störend ist vielleicht, dass die DVD nicht ins Deutsche übersetzt wurde und man mit den schwer verfolgbaren Untertiteln auskommen muss. Außerdem überschneiden und wiederholen sich die zwei Discs teilweise stark. Die Qualität von Bild und Ton hängt natürlich vom Jahr der Aufnahmen ab und variiert daher, was aber an keiner Stelle als störend auffällt, vielmehr die Authentizität des Dargestellten unterstreicht.
Die großartige Zeitreise beschränkt sich also nicht auf das übliche, biographische Festland, sondern geht darüber hinaus und betritt bisher unbekanntes Terrain.
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