laut.de-Kritik

Die Jesuslocke tischt ein feines Soul-Abendmahl auf.

Review von

Irgendwie weiß man zunächst nicht recht, wie man den Typen einzuordnen hat. Man kuckt auf sein noch so jugendliches Aussehen, und Negativerfahrungen spielen einem schnell ein Schnippchen, indem sie Schnulli durch den bloßen Anblick des Covers abwerten. Könnte ja doch einer dieser etlichen 0815-Typen sein. So einer, nach dem sich keine Sau mehr umdreht, wenn die erste Euphorie erst mal verflogen ist.

Doch zieht man sich die Platte mehrmals rein, und bemüht sich, über diese Ohr-Augen-Verarsche hinwegzusehen, kommt Thicke, die Jesuslocke, verblüffend frisch. Denn köstlich mundet dieses Soulnachwuchs-Songwriting-Abendmahl, die Songstrukturen, die Arrangements, die verschrobbten Retrosounds. Und die Grooves bringen Hinterköpfe zum Wippen. Sehr viel Jamiroquai-Einfluss ist zu hören, manchmal fühlt man sich leicht an Beck erinnert, manchmal an Prince, und selbst die Beatles scheinen im Kopf von Thicke mitzubestimmen. Die Mischung ist sahnig, könnte massentauglich werden.

Der Opener "Oh Shooter" lockt mit einem erstaunlich schlichten, aber doch wirksamem Slowsex-Cabriofahr-Beatbassgemix und der lasziv geflowten Gesangsphrase "they want me with my hands up". Von Bankraub soll der Song handeln, und man kommt nicht umhin, sich früher oder später mit Freude in Handschellen gelegt zu fühlen - oder besser gesagt in Ohrschellen, obwohl das nicht so sexy klingt, wie es eigentlich sollte.

Auch Balladen kann Thicke schreiben und singen. "A Beautiful World" ist dafür Beweis genug. Das kommt mit minimalstem Instrumentalaufwand aus, ein leicht mit Absicht nostalgisch verstimmtes Barpiano, Gitarre, einfache und wirkungsvolle Hmmm-Chöre, darüber Thickes Falsett, das schnullizuckersüß tönt. Bei mutigen Menschen, die Affinitäten für solch sentimentalem Quatsch nicht leugnen (sprich Frauen), tauchen berechtigte "Liebe muss echt schön sein"-Gedanken auf.

Vielseitig geht es weiter mit Thickes Stimme, die zwar erst einen leicht kindlichen Eindruck hinterlässt, aber dann nach und nach beweist, dass sie schon genügend von Soulkastraten à la Prince und Michael Jackson abgekuckt hat, um daraus einen individuellen und abwechslungsreichen Stil zu prägen. In "Suga Mama" stöhnt und quengelt sie nach Sex, ein wenig kommerzt sie in "Brand New Jones" und hendrixt in "Flex".

Durch ein fettes "Lazy Bones" rockt sich der Knabe, unterstützt von einem Sesamstraßenchor und einem Bassgott, der in meinem Kopf ein Muskelshirt anhat. Dann gibt's noch Salsa auf die Mütze, dessen Refrain man, würde man ihn gesondert hören, irgendwo ins Kubaradio gestellt hätte. Es folgt die Single "When I Get You Alone", die auf MTV bereits rauf und runter läuft, und auf der wieder mal Beethovens Fünfte verhackstückt wird. Aber gut und neu, wie das Album als Ganzes, muss man schon sagen.

Soll ich ihm jetzt für das Image, das ihm seine Jesusfrisur anhängt einen Punkt abziehen? Ahwa, Höchstwertung, und gleich noch mal anhören.

Trackliste

  1. 1. Oh Shooter
  2. 2. A Beautiful World
  3. 3. Suga Mama
  4. 4. Flowers In Bloom
  5. 5. When I Get You Alone
  6. 6. The Stupid Things
  7. 7. I'm A Be Alright
  8. 8. Brand New Jones
  9. 9. Vengas Conmio
  10. 10. Flex
  11. 11. Make A Baby
  12. 12. She's Gangta
  13. 13. Lazy Bones
  14. 14. Cherry Blue Skies

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