laut.de-Kritik
Organischer Soundtrack zur Doku "24h Berlin".
Review von Daniel StraubFrüher einmal haftete New York der Ruf an, die Stadt zu sein, die niemals schläft. Das ist freilich lange her. Wer heute auf gute Partys steht, die gerne mal etwas länger dauern dürfen, sucht sein Glück vorzugsweise in Berlin.
Die Feierinstitutionen der Hauptstadt genießen inzwischen Weltruf, und die dort gepflegte Afterhour-Kultur sucht ihres gleichen. Das Energielevel der Stadt lockt die unterschiedlichsten Menschen an. Das Doku-Filmprojekt "24h Berlin" hat vor zwei Jahren einige von ihnen einen Tag lang begleitet. Der Soundtrack dazu ist im Studio des Elektronik-Urgesteins Thomas Fehlmann entstanden.
In Anlehnung an die sprichwörtliche Berliner Luft, betitelt Fehlmann seinen Soundtrack schlicht mit "Gute Luft". Luftig ist auch das passende Stichwort für die insgesamt 15 Stücke, die sich auf dem Longplayer finden. Nicht alle davon waren gleichwohl im Zuge der Doku zu hören.
Vielmehr kompiliert das Album eine Auswahl an Tracks, die von Fehlmann für das Projekt "24h Berlin" komponiert wurden, danach aber teilweise unveröffentlicht auf der Festplatte bis zur jetzigen Veröffentlichung warten mussten. Fehlmann gelingt dabei ein bemerkenswerter Spagat.
Entstanden als Soundtrack für eine Dokumentation, mussten sie sich zunächst mal dem filmischen Material unterordnen, durften nicht allzu dominant gegenüber den Bildern auftreten. Mit dem Albumrelease ändert sich dieser Anspruch. Die Tracks müssen zeigen, ob sie auf eigenen Füßen stehen können und auch ohne die filmische Ebene nichts von ihrer Ausdruckskraft einbüßen. "Gute Luft" meistert diesen doppelten Anspruch mit verblüffender Leichtigkeit.
Elegant knüpft Fehlmann zugleich an sein letztes Release "Honigpumpe" an. Unaufdringlich aber doch selbstbewusst geben gedämpfte Beats den Rhythmus an. Man kann sie als Hintergrundmusik genießen oder mit einem einfachen Plus an Lautstärke eine raumgreifende Position zuweisen - der Qualität der Tracks tut das keinen Abbruch.
"Gute Luft" spielt mit den verschiedenen Perspektiven der Hörer. Analog zur Filmdokumentation, die ihre Wirkung auf ganz ähnlichen künstlerischen Prinzipien aufbaut. 80 Kamerateams hatten die Macher der Dokumentation losgeschickt. Sie begleiteten ausgewählte Berliner einen ganzen Tag lang durch die Stadt. Das Filmmaterial wurde dann am Schneidetisch auf einen Tag verdichtet.
Die unzähligen Perspektiven, Ansichten und Wahrnehmungen bilden einen einzigen Strom an Bildern - genau wie die Sounds von Thomas Fehlmann, der den Bildern eingeschriebene klangliche Subtext.
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