laut.de-Kritik
Nebenthemen kauen beharrlich auf sich selbst herum.
Review von Kai Kopp"Einlullen statt Aufrütteln, Andeuten statt Ausführen, Aussitzen statt Angreifen" (Daniel Gerhardt) lautet das Motto, dem sich das Tied & Tickled Trio neuerdings opfert. "Aelita" könnte zwar als Exempel zur Erläuterung des Fachbegriffs Ambient dienen. Damit hat sich der Gebrauchswert aber leider erledigt. Denn wer sich nicht gerade im Tiefschlaf befindet, erlebt die Musik als eher unspannend.
Auf "Aelita" verschwindet die von allen Seiten geschätzte Jazz-Ästhetik, die den Stil des T&TT und das Spiel der Protagonisten bisher hervorragend kennzeichnete, in vollem Umfang. Einem eng entlang der Nulllinie gehaltenen Spannungsbogen folgen die sieben Kompositionen. Die Klangatmosphäre, die das T&TT zugrunde legt, ergreift zwar den Hörer und schreit danach, fortzuschreiten. Die Arrangements versanden aber leider bei jedem Titel im Intro, verheddern sich im Vorspiel, verharren dort und kommen einfach nicht zur Sache. Und so wartet man geschlagene 44 Minuten, dass es endlich los geht. Aber es geht nicht los!
Des Pudels Kern offenbart sich von Beginn an: Wo früher die Atmosphäre mit den Melodien, Rhythmen, den Hooks, der Instrumentierung und den solistischen Ausbrüchen um die tragende Funktion konkurrierte, kauen jetzt Nebenthemen auf sich selbst herum. Da sie beharrlich auf der Stelle treten, ist also noch nicht einmal der Weg das Ziel.
Fühlten sich bei "Observing Systems" die stimmungsvollen Kompositionen noch einzig der Intensitätssteigerung verpflichtet, zollen die sieben Titel von "Aelita" einer alten Stammtischerkenntnis Respekt: Den Ball immer schön flach halten! Ohne Bläsersektion haben die Titel keine Chance, mit älteren Aufnahmen zu konkurrieren. Hieß es früher, "die Melodieperlen verschmelzen mit dem Dreck der Jazzimprovisation, deren Spannungsbögen sich mit viel Zeit über den zunehmend ekstatischen Bläsersätzen austoben", bleibt jetzt nur festzustellen: Man kann das Prinzip 'Weniger ist Mehr' auch übertreiben.
Eigentlich handelt es sich beim Songmaterial ja um die Konservenversion eines Auftritts beim Hausmusik-Festival 2006 in München. Der Gig hinterlässt laut Promoagentur "euphorische Spuren beim Publikum und innerhalb der Band", die allerdings noch nicht mal im bewusstseinerweiterten Zustand nachvollziehbar sind. Aus den Nachwirkungen des zu weiten Teilen improvisierten Auftritts erschaffen die Herren Brandner, Gerth, Acher, Acher und Oesterhelt "Aelita". Soundästhetik und Klangverliebtheit sind zwar nach wie vor genial. Aber sie allein ziehen den Karren nicht aus dem Dreck. Nein, dieser Wurf ist nicht gelungen.
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