laut.de-Kritik
Der erste wirkliche Electro-Leckerbissen des Jahres.
Review von Daniel StraubLangweilig und eintönig waren bislang die bevorzugten Adjektive, wenn man die House- und Techno-Longplayer-Veröffentlichungen des laufenden Jahres charakterisieren wollte. Kaum eine Platte, die über die reine Clublogik hinausging und sich ein Terrain jenseits des nächtlichen Feierexzesses erschlossen hätte.
Umso heller strahlt nun "Black Ships", das Debütalbum von Tokyo Black Star. Die beiden Klangdesigner Alex Prat und Isao Kumano geben sich betont oldschoolig und definieren sich selbst mehr als Musiker und nicht so sehr als Produzenten. Mit den 14 Tracks des Albums nutzen sie die Möglichkeiten des Formats Langspielplatte voll aus.
Tokyo Black Star nehmen sich die künstlerische Freiheit, von der die meisten Techno-Produzenten in ihrer engstirnigen Dancefloor-Zentriertheit noch nicht einmal ahnen, dass es sie gibt. Für sich genommen wirken manche der Tracks deshalb zwar ein wenig schräg und eignen sich nur bedingt zum Auflegen.
Belässt man sie jedoch im Zusammenhang des Albums entfalten sie ihre ganze Pracht: deepe House-Musik, mal fokussiert auf den Space-Disco-Dancefloor, mal schwelgerisch und klangmalerisch mäandernd, getragen einzig von der Absicht eine Atmosphäre zu erschaffen, die es den Gedanken ermöglicht, ziellos davon zugleiten.
Diese psychedelische Kompenente zieht sich als roter Faden durch alle Tokyo Black Star-Stücke. In Reinkultur, wie bei "Deep Sea" oder "Kagura", die in der Mitte des Albums eine Zäsur markieren und beinahe ganz ohne Beats auskommen, manifestiert sie sich jedoch aber nur selten. Anknüpfungspunkte in den melodischeren Krautrock-Releases der 70er Jahre oder den Veröffentlichungen des Yellow Magic Orchestra zu sehen, ist bei diesen Tracks vollkommen legitim.
Referenzen an die frühen Techno-Releases aus Detroit kommen ebenfalls nicht von ungefähr und gehören seit dem 2005er Debüt von Tokyo Black Star zum festen Klangrepertoire des Duos. Gleichzeitig steht "Black Ships" beim Sounddesign mit beiden Füßen in der Gegenwart.
Das dürfte in erster Linie der fachlichen Kompetenz von Isao Kumano zuzuschreiben sein, der im Hauptberuf als Tontechniker arbeitet und für den Gerätepark verantwortlich zeichnet. Dem warmen und vollen Klangbild von "Black Ships" nach zu urteilen, tummeln sich dort jede Menge analoge Gerätschaften. Sind sie erstmal richtig warmgelaufen, dann entstehen sanft kickende Disco-Schweber wie "Sepiaphone".
Gemeinsam mit der superdeepen Vokalnummer "Black Star" gehört der Track zu den besten Stücken des Albums. Beide bestehen auch mühlos ohne die Unterstützung der elf übrigen Tracks des Albums. Vollkommen zurecht hat "Sepiaphone" deshalb auch den Weg auf das erste Maxirelease zum aktuellen Album gefunden.
Dort ist außerdem ein Loco Dice-Remix des Stücks "Game Over" zu hören: Ein Signal an die DJ-Fraktion, dass Tokyo Black Star ihre Stücke in den Clubs rund um die Welt verankert wissen wollen. Und so sollte es auch sein.
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