laut.de-Kritik

Melodien, die sich ins Hirn einbrennen.

Review von

Die warme Stimme Fran Healys bestreitet mit einer leisen Gitarrenmelodie den Einstieg in die folgenden 52 Minuten. Beinahe flüsternd erzählt er von einem Alptraum, den er in der vergangenen Nacht hatte. "I had a nightmare I lived in a little town. Where little dreams were broken. And words were seldom spoken." Nach der ersten Strophe gesellen sich Frans musikalische Gefährten hinzu und krönen den Opener zu einer travis-typischen Ballade.

Ungewöhnlich rockige Töne erklingen bei "Selfish Jean". Hier kommt ein waschechter Tanztitel mit mitreißendem Rhythmus auf den Hörer zu. Die erste Singleauskopplung "Closer", die Healy als "Keimzelle für das komplette restliche Album" bezeichnet, wendet das Erfolgsrezept für große Gefühlsballaden von den ersten beiden Travis-Platten "The Man Who" und "The Invisible Band" an: eine wahnsinnig eingängige Melodie und Fran Healys Stimme, die sich nach Nähe sehnt: "Closer, Closer, lean on me now, lean on me now."

Mein absolutes Highlight ist "Battleships". In diesem wundervollen Song erzählt Fran von einem Paar, das nicht mit und nicht ohne einander leben kann. Doch nicht nur der Text haut mich um, sondern auch Frans gefühlvolle Stimme, die so zärtlich und ehrlich über dieses wohlbekannte Beziehungsproblem singt.

"My Eyes" widmet Fran seinem Sohn Clay. Er verarbeitet die Gedanken, die vermutlich alle Eltern schon am Bett ihrer Sprösslinge gedacht haben. "You got my eyes. And we can't see what you'll be. You can't disguise. But either way. I will pray. You will be wise. Pretty soon you will see. Tears in my eyes."

Dies ist nicht der einzige autobiografische Bezug. Der Albumtitel stammt aus der Zeit, als sich Sänger Fran Healy und seine Frau Nora auf der Suche nach einem Namen für ihren neugeborenen Sohn befanden. Bis die Eltern den kleinen Schlingel schließlich Clay tauften, nannten sie ihn liebevoll "The Boy With No Name" - "Den Jungen Ohne Namen".

Die Glasgower Musiker nahmen das Album hautsächlich im Alleingang auf, doch baten sie an einigen Stellen ihren langjährigen Freund und Produzent Nigel Goldrich (Radiohead, Beck, Paul McCartney) um Rat. "Wir vertrauen Nigel und wir fürchten ihn", beschreibt Bassist Dougie Payne das konstruktive Verhältnis der Band zu ihrem ehemaligen Produzenten. "Wenn Nigel findet, dass etwas nicht gut ist, dann sagt er das."

"The Boy With No Name" endet mit einer Hommage an New York, denn die Stadt rund um den Big Apple hörte früher auf den Namen "New Amsterdam". Nach 2 Minuten und 45 Minuten endet die eher belanglose Hymne, doch es heißt dranbleiben, denn den eigentlichen Abschluss bildet der beschwingte, nach dreiminütiger Pause einsetzende Bonustrack "Sailing Away", der die Wartezeit vorbehaltlos rechtfertigt und das Album schlussendlich mit Möwengeschrei und einer Schiffsglocke beschließt.

Travis sind immer noch fröhlich und melancholisch zugleich und so gut wie zu ihren besten Zeiten. Wieder spicken die charmanten Schotten Melodien, die sich ins Hirn einbrennen, mit eindrucksvollen und aufrichtigen Texten über die Liebe und das Leben.

Trackliste

  1. 1. 3 Times And You Lose
  2. 2. Selfish Jean
  3. 3. Closer
  4. 4. Big Chair
  5. 5. Battleships
  6. 6. Eyes Wide Open
  7. 7. My Eyes
  8. 8. One Night
  9. 9. Under The Moonlight
  10. 10. Out In Space
  11. 11. Colder
  12. 12. New Amsterdam

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55 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    ich will die auch mal live sehen :(

  • Vor 17 Jahren

    @Mini:

    Schon interessant, wie Bewertungen auseinandergehen können. Ich finde die "12 Memories" homogener als die "The Boy With No Name". Die franst in der zweiten Hälfte etwas aus, finde ich. Speziell mit Liedern wie "One Night".

  • Vor 17 Jahren

    @MiniMe (« @Olsen: stimmt schon, als "Testwerk" fand ich's wirklich gut... wenn alles noch ein bisschen mehr zusammengepasst hätte, wär's ein sehr gutes Album geworden.

    Konzert war übrigens - wieder einmal - absoluter Hammer. Das ist wohl die sympathischste Live-Band überhaupt. Der Funke springt vom ersten Augenblick an auf's Publikum über, und man merkt richtig, wie den Jungs das Spielen Freude macht. Absolut empfehlenswert! »):

    Jaaaa :cry: ich hab sie auch mal live gesehen und das war wirklich ein toller Abend...