laut.de-Kritik
Wann kommt der Hunger zurück?
Review von Yannik GölzKurt Tucholsky bemerkte mal, dass nach dem Happy End normalerweise abgeblendet wird. Passiert das nicht, wird jedes Cinderella-Geschichtenhoch von einer mondänen Zukunft überschattet. Trettmann war keine Revolution der Szene. Viele Jahre nach "#diy" blieb alles beim Alten. Er zerstritt sich wohl mit Kitschkrieg, produzieren tun nun andere Industrie-Soldaten: Seine neue Musik ist unspektakulär, ziellos und jeder Song klingt gleich.
Immerhin: Sie klingen alle recht gut. Die Musik auf "Your Love Is King" hat nichts an Wert und Geschmack eingebüßt, in Sachen Features bleibt er ebenfalls treffsicher. Trettmann würde einen guten Musikjournalisten abgeben! Aber selbst wenn die Songs objektiv von verschiedenen Dingen handeln, bleibt die Atmosphäre doch eisern gleich.
Jungs, hätte es euch wirklich einen Zacken aus der Krone gebrochen, nicht den genau gleichen Synth im genau gleichen Tempo durch das ganze Album laufen zu lassen? Stimmt, das ist objektiv nicht komplett wahr. Aber gefühlt? Dieses Tape hat acht Tracks. Trotz der kurzen Dauer folgt aus jedem kurzem Abschweifen die Frage, ob das schon der nächste oder noch der gleiche Song ist. Und glaubt mir, ihr werdet abschweifen.
"Your Love Is King" macht musikalisch solides Hintergrundgedudel, das scheint in seiner sleeken Produktion auch der Fokus zu sein – klingt ein bisschen wie das Innendesign eines modernen Autos. Aber je genauer man hinhört, desto mehr wachsen Langeweile und Verwirrung. Denn sollte man erwarten, Trettman regelt das jetzt über Performance oder gar Texte, wird man lange warten.
Die Tracks sind bizarr. Es gibt welche, die sind sterbenslangweilig, weil er es gar nicht erst versucht und einfach nur hohle Flexes und Phrasen aneinanderreiht ("So Lang", "Whip"). Anderen Tracks merkt man an, dass er gerade richtig deepen Shit erzählen will. Und diese sind unglaublich verwirrend.
Ich weiß nicht, ob Trettmann je ein richtig guter Texter war, aber auf diesem Tape hat er selbst im Vergleich zu seinen schwächeren Releases deutlich abgebaut. Viele Tracks weisen definitiv so etwas wie Konzepte auf. Es bleibt nur unerklärlich schwer, zu erraten, welche. "NAWW", kurz für 'Nach allem was war' erzählt von seiner ostdeutschen Heimat - vor und nach der Wende. Es ist schwierig dies in Zitaten abzubilden, weil alle Lines für sich okay klingen, der der Song aber ums Verrecken keinen Zoom hinkriegt.
Auf zweimal zwölf Zeilen springt er wieder und wieder in Stimme, Perspektive und Fokalisierung - grauenhaft dilettantisches Storytelling, das auf ein nostalgisch nickendes Publikum hofft, das 'ja, äh, stimmt, irgendwie so war es damals schon' antwortet, während er freie Geschichtsdoku-Assoziationen aneinanderreihend den Flow von Kirko Bankz "Drank In My Cup" macht. Nichts daran ergibt Sinn - nur das sehr schöne Gesangsfeature von DDR-Jazzsängerin Uschi Brüning am Ende funktioniert einwandfrei.
So läuft das über weite Teile von "Your Love Is King". Trettmann müht sich durchs Textblatt und scheint zu hoffen, dass er auf Tracks wie "War Das Schon Alles", "Prototype" oder "Heimlich Rauchen" einfach genug tiefgründig Klingendes gesagt kriegt, um die Atmosphäre aufrechtzuerhalten. Selbst, wenn sich seine Phrasen widersprechen oder es total albern wird. Auf "Heimlich Rauchen" heißt es: "Krass, wie wir drauf sind / Heimlich rauchen, heimlich rauchen". Muss ich dazu noch etwas sagen?
Und sonst so? Habe ich gesagt, dass dieses Projekt wirklich langweilig ist? Soviel also zum Leben nach dem Happy End. "Your Love Is King" ist so etwas wie das Gegenteil des DIY-Ethos. Es ist Streaming-optimierte Profi-Musik. Gut, der Genre-Mix ist ein bisschen ausgeweitet, und Trettmann bleibt ein solider Kurator. Aber selten klang der Mann so uninspiriert und zehrend. Leider ist das in der zunehmend mürben Abwärtsbewegung von "Trettmann" über "Insomnia" bis hier hin nur der logische nächste Schritt. Wann kriegen wir den Hunger zurück?
6 Kommentare mit 3 Antworten
Belanglosigkeit in Perfektion also.
es ist so lame. omg. Atmen Junge, du musst Atmen Junge!
Hintergrundmusik trifft es ganz gut. Ich meine, es gibt schlimmeres und es hat seine Daseinsberechtigung und man kann niemanden vorwerfen, ein Trettmann-Fan zu sein. Aber man muss wohl oder übel akzeptieren, dass #DIY wahrscheinlich sein bestes Werk bleiben wird. Was auch nicht schlimm ist, manche Künstler bringen 10 Alben raus und kriegen das nicht hin, da ist ein Trettmann mit einem Meilenstein und drei guten bis mäßigen Nachfolgern sogar ganz gut aufgestellt. Als Musikfan, -kenner oder -rezensent oder wasauchimmer muss man nur den Gedanken ausblenden, dass das alles hätte besser sein können. Kann man aber auch als Luxusproblem bezeichnen.
Find die EP dope und finde man merkt eigentlich dass er wieder bock hat. 3.5/5
Nein.
Fand die EP besser (+ vielleicht noch "War das schon alles"), bevor die drei Features drangeklatscht wurden... Ohne die gefällts auf jeden Fall mehr als das letzte Album
Das Trettmann hier dieselbe Wertung wie König Boris bekommt, ist schon arg. Aber ja, bleibt wenig hängen. 3 Sterne wären halt schon drin gewesen.
so ein bisschen wie der hansi flick des deutschraps: für eine kurze periode zur richtigen zeit am richtigen ort (2016 KK-Eps - 2017 DIY)
die review triffts ziemlich gut, seit dem schon nur noch durschwachsenen selbstbetitelten Album gehts qualitativ ins müßig belanglose
Word!
Das mit Hansi trifft es ganz gut.