laut.de-Kritik
Ein psychischer Belastungstest für den Hörer.
Review von Olaf SchmidtFrühling lässt sein buntes Band wieder flattern durch die Lüfte? Nicht bei Triptykons Tom Gabriel Fischer. Der zeigt sich davon gänzlich unbeeindruckt. Er streicht die Wände schwarz und vernagelt die Fenster, damit kein einziger Lichtstrahl hereindringen kann. So zu hören im Opener "Tree Of Suffocating Souls", der für Triptykons Verhältnisse auf diesem Album sehr flott loslegt. Im Folgenden werden eher gemäßigte Tempi und schleppende Lethargie vorherrschen.
Stilistisch bewegen sich Triptykon weiter in der Freizone und mischen alles zusammen, was ihnen gefällt, um die ultimative Finsternis in die Herzen der Hörer zu treiben. Doom Metal, ein paar Thrash-Anteile, leichte Einflüsse von Black Metal, etwas Gothic, weibliche Vocals - einmal gut durchmengen und zu sperrigen Songmonstern formen, bitte. Auch längenmäßig machen die Schweizer keine Zugeständnisse. Das kürzeste Stück läuft knapp sechs Minuten, das längste deren zwölf.
In "Boleskine House" schlägt die Stunde von Vanja Šlajh, ihres Zeichens Bassistin. Wo sie diesen abartig düsteren Bassklang aufgetan hat, will man lieber gar nicht wissen. Mindestens ihre Seele musste sie dafür verkaufen. Träge schleicht der Song vorwärts, die Depression kriecht in die Glieder. Der weibliche Gesang von Simone Vollenweider spricht einen dunklen Gruß in Richtung Gothic Metal aus und fügt sich perfekt in die düstere Atmosphäre ein.
Noch eine Stufe weiter runter in die Tiefen der musikalischen Verzweiflung geht es im anschließenden "Altar Of Deceit". Hier unten gibt es nichts als ewige Verdammnis, passend dazu fahren Fischer und sein Gitarrenkompagnon V. Santura Lava-Riffs und lichtabweisende Soli auf. "Breathing" zieht das Tempo danach an, eine dringend nötige Abwechslung.
"Aurorae" klingt in etwa so, als würde man sich in eine Badewanne legen, die Pulsadern aufschneiden und allmählich ins Reich des Todes eintreten. "A spirit wasting away / in this agony / unable to breathe", textet Fischer passend dazu. Müßig zu erwähnen, dass seine Lyrik auch ansonsten weder Hoppelhäschen noch sommerliche Blumenwiesen umfasst. Musik als Therapie: für den Künstler lebenswichtiges Ventil, für den Hörer bisweilen an die Grenzen des Ertragbaren gehend.
Denn so faszinierend diese vertonte Abwesenheit von Licht, Wärme, Liebe und allem, was schön und gut ist in der Welt, auch daherkommt: Wer will sich das 67 Minuten lang anhören? Bei "Demon Pact" wünscht sich das zartbesaitete Seelchen, das diese Zeilen verfasst hat, das schnelle Ende herbei. "Black Snow", der 12-minütige Monolith am Ende der Platte, kennt ebenfalls keine Gnade. Für diese Kompromisslosigkeit muss man Fischer und seinen Kollegen Respekt zollen.
Wer auf Musik steht, bei der einem angst und bange wird, muss hier zugreifen. Alle anderen sollten vorher ihre psychische Belastbarkeit überprüfen. Denn nach eingehender Betrachtung von "Melana Chasmata" erkennen wir: Die Hölle, das sind nicht die anderen, wie Sartre meinte. Die Hölle, das ist die Abwesenheit von Freude.
6 Kommentare mit 6 Antworten
Definitiv das Album 2014. Wüsste zumindest nicht was da drüber kommen sollte.
@autor Das ist übrigens Simone Vollenweider, die da auf "Boleskine House" singt.
alles, was zumindest einen punkt mehr bekommt
Danke für die Information mit Simone Vollenweider. Das ist halt der Nachteil, wenn man von den Plattenfirmen nur noch die nackten Dateien und sonst keinerlei Informationen mehr bekommt.
Da werden gar keine CDs mehr verschickt?
Hängt wohl von den Plattenfirmen und den Genres ab. Bei meinen Rezensionen waren selten CDs dabei. Pressetexte nehmen auch ab, was zumindest für solche Informationen hier schade ist.
Gerade das Artwork gibt bei dem Album nochmal viel an Atmosphäre dazu. Schade, dass da gespart wird.
@Olson: hast du denn nen Login für Century Media? Da sind doch bei allen Künstlern Bio, Fotos und Kram immer mit dabei?
Schöne düstere Platte, hört man mal wieder gern! Allerdings scheint es unter Schreiberlingen Sport zu sein sich gegenseitig darin übertreffen zu wollen, die abgründige Fiesheit von Triptykon auszurufen. Dafür sind die Riffs dann aber von den Harmonien her doch etwas zu Metal-0815,a uch wenn sie Lavalangsam sind. Kommt an die atmosphärischen Momente von Celtic Frost ("Totengott" !!!) nicht ran. Mit ein paar abgefahreneren Harmonien könnte Triptykon wirklich genial werden. Und der Bass? Der tönt eher hilflos statt böse. Da muss eindeutig mehr Synth her!
Bei der Rezi erkenne ich grade ehrlich gesagt nicht, warum es sich hierbei nur um 3 anstatt 4 Sterne handelt.
Für mich auf jeden Fall ein Highlight des jahres!
Für mich ebenfalls mindestens noch einen Stern mehr wert; nicht ganz so überragend wie der Vorgänger, aber bis jetzt zusammen mit "The Satanist" mein Metal-Highlight 2014.
Auf die (unnötige) Frage, wer sich das 67 min anhören will: Ich mache das sehr gerne und immer wieder und kenne durchaus einige Verrückte, die das ebenfalls tun und trotzdem noch leben. Sorry, eine Platte abzuwerten, weil sie zu düster ist, ist Bullshit!
Kurz vor Ausklang des Jahres kann man bestätigen, was Santiago vor 8 Monaten schrieb. Unglaublich gutes Album, so finster war strahlendes Licht noch nie!