laut.de-Kritik
Manchmal möchte man Dean Fertita anschreien ...
Review von Franz MauererNatürlich kennt man Dean Fertita von seinen Hauptjobs als Gitarrist bei The Dead Weather und QOTSA. Doch "Tropical Gothclub" ist nicht sein erster Ausflug in Solo-Gefilde: "Hello=Fire", mit hochkarätiger Unterstützung von Brendan Benson, überzeugte vor nun schon 13 Jahren über die Maßen. Corona machte den Terminkalender des vielbeschäftigten Musikers frei, dank dem Virus bekommen wir also neue Musik unter dem ebenso frischen Moniker "Tropical Gothclub". Und wenn man Kumpel von Jack White ist, veröffentlicht man natürlich bei Third Man. Ebenso standesgemäß ist die Unterstützung durch Dave Feeny, der auf eine reiche Erfahrung als Produzent zurückblickt, beispielsweise mit Kid Rock.
Betritt man den tropischen Düsterklub, weht es einem gleich sehr fuzzy entgegen: "Wheels Within Wheels", der Single, fehlt ein Sänger und der ganze Song ist zu brav, regelrecht kreuzbieder und voraussehbar fällt der Fuzz-Prog von Fertita aus. Durchaus, es ist lebendig und rumpelt, aber es fehlt der Wahnsinn und die Konsequenz von Tame Impala oder Thee Oh Sees, wobei vordergründig eher letztere die Referenz sein dürften, dank der Bluesanteile auch King Gizzard & The Lizard Wizard.
"Needles" macht so weiter und treibt zunächst gut an, verpasst aber den ekstatischen Absprung. Stattdessen lieber noch ein Chorus, lieber noch eine Schleife, und irgendwann wünscht man sich, der Song wäre bitte endlich vorbei. Auf "Captivated" sind alle Zutaten da, aber Fertita zeigt nur Sous-Chef-Qualitäten. Als wüsste er es selbst, versteckt er seine Stimme hinter einem dumpfen Filter und mischt sie weit nach hinten. Man will den Mann an der Gurgel greifen und anschreien: Sing halt oder lass es sein. Dieses ersten Trio an Songs will atmosphärisch insgesamt eine Trippiness erzwingen und fällt damit auf die Nase, zu konstruiert und kalkuliert, zu vorgezeichnet der Verlauf der Songs.
Gottlob kommt ein Bruch: "Where There Is Water" funktioniert besser, da es viel rhythmischer ausfällt, was Fertitas Qualitäten stark entgegenkommt. Der gerade zum Ende straighte Song klingt wie ein Desert Session-Outtake seines Kumpels Josh Homme. "Infernal Inside" ist ein fröhlicher, verspielter Garage-Rumpler, bei dem mehr Emotionen als auf dem gesamten bisherigen Album rüberkommen. Fertita traut sich, hoch zu trällern und bringt so Varianz in seinen Gesang, die man bislang vermisste. "Death Rattle" hat tatsächlich etwas von einem Geklapper, das stellenweise schöne Passagen mit nerviger Ziellosigkeit verbindet.
"No Wonder" geriet im Gegensatz dazu schlicht zu simpel. Jede einzelne Sekunde hört sich komplex an, es passiert viel, aber alles neigt stets in dieselbe Richtung, Spur um Spur um Spur, es fehlt die zündende Idee. So zeigt sich an einigen Stellen, dass "Tropical Gothclub" eine Ausarbeitung von Demos während der toten Coronatage ist, die in unterschiedlichen Stadien vorlagen und letzten Endes von unterschiedlicher Qualität waren. "Double Blind" lässt sich deutlich mehr Raum, und Fertita traut sich sogar etwas Epik zu, der Song ist ein Alternative-Popper, wie ihn viele der in den letzten Jahren erfolgreichen soften Alt-Bands auch gerne hätten, sich aber bei Fertitas Gitarrenspiel die Hand brächen.
Auch "Future To Follow" funktioniert glänzend, hier ist die Anlehnung an The Dead Weather am deutlichsten zu spüren, nur filtert Dean den Sleaze heraus und schafft so eine wahnsinnig energetische Nummer, das klare Albumhighlight. Es ist symptomatisch für "Tropical Gothclub", das auf diesen hervorragenden Song ein unfertiges, uninspiriertes Gespiele wie "Thunder Towards You" folgt, bevor mit "Uniform Looks" der rockigste Song des Albums mit der besten Gesangsleistung folgt.
Vielleicht soll das vermeintliche Oxymoron im Titel schon andeuten, auf welchen Trip Dean Fertita den Hörer mit "Tropical Gothclub" nimmt? Jedenfalls ist es nicht verwunderlich, dass Fertita mit dieser Scheibe zeigt, das viel in ihm steckt, denn das war vorher bekannt. Schade hingegen, dass er auch zeigt, weshalb er als Bandmitglied streckenweise besser aufgehoben ist.
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