laut.de-Kritik
Ein Jazzalbum für die, die Jazz nicht mögen.
Review von Franz Mauerer"Group Theory: Black Music" setzt mit "Wadada" gleich mal ein Statement. Einer der schönsten Vokal-Chorale überhaupt steigt regelmäßig zum Himmel hinauf, erst nach einiger Zeit fallen dem Hörer Trompete, Schlagzeug und Bass überhaupt auf, die bezaubernde Gitarre gar erst zum Ende des Songs hin. Dabei wirkt nichts überladen und jedes Teil sitzt an seiner Stelle, alles darf auch einfach mal schön harmonieren und zum Pop hinüberwinken.
Diese Eleganz im eigenen, natürlich technisch anspruchsvollem, aber eben stets den Sound vorantreibenden Spiel in verschiedenen wichtigen Jazzkombos ist es, die Tumi Mogorosi in geneigten Kreisen zu einem heißen Versprechen werden ließ. Das Orchestrale eines Kamasi Washington fährt der südafrikanische Schlagzeuger gar nicht auf, das Erdige westafrikanischer Kollegen ist ihm ebenso fremd, präzise & treibend mag er es lieber und würde damit, wären nicht Elemente wie die stete, wunderschöne vokale Lautbegleitung des Zehn-Personen-Chors um Themba Maseko, im modernen Chicago Jazz nicht auffallen, außer positiv. Ob das Label den Stimmeinsatz deshalb nun aggressiv als genuin afrikanisch verkaufen muss, sei dahingestellt; es gibt weltweit nur wenige Kulturkreise ohne gemeinsame Sangestradition.
Mit "The Fall" bereitet der Chef mit seinem polyrhythmischen Spiel erkennbarer den Boden, auf dem sich ein hier drängenderer Chor und die Gitarre austoben. Anschließend wankt der Song wie ein Lehmgolem schwankend Richtung Ausgang, eine Wonne. "Panic Mania" dagegen verliert sich zu weit in der Trompete, die zur Mitte hin zum Muckertum verkommt. Das passiert auf "Group Theory: Black Music" nur selten, da die Gruppe um Saxofonist Mthunzi Mvubu, Trompeter Tumi Pheko, Gitarrist Reza Khota, Bassist Dalisu Ndlazi und dem Mehrfachgast & Pianisten Andile Yenana sich durch verschiedenste Musikprojekte aus dem Effeff kennt und Mogorosi das Ensemble auf seinen sparsamen, durch seine eigene, sehr tighte und druckvolle Spielweise auszeichnenden präsenten Stil verpflichtet.
Dass Mogorosi dabei locker ein ganzes Bündel an Emotionen vermittelt, macht der Dichter Siya Mthembu mit seinem Gastspiel auf "Sometimes I Feel Like A Motherless Child" klar, wo er erst dann glänzt, als er den Dichter Dichter sein lässt und zum Instrument wird. Gerade als Yenana den Rest der Truppe etwas zu ersaufen droht im Klimpergehagel, reißt Mogorosi den Song herum. Neben dem Technischen und Formal-Kompositorischen gelingt auf "Group Theory: Black Music" vor allem das Songwriting aus einem auf Abwechslung und Aufgehen fixierten Pop-Blickwinkel. "Walk With Me" wird Kanye bald samplen und knüpft an "The Fall" an, beide bilden die musikalische Achse des Albums und die reinste Version des Mogorosi-Sounds.
"At The Limit Of The Speakable" wechselt viele Male Tempo und Anschein und zeigt die Stärke des Ansatzes von Mogorosi, alle Mitglieder seiner Combo gleichberechtigt auftreten zu lassen - das Privileg eines Drummers als Bandleaders, ihn hört man immer -, denn hier verstecken sich mindestens fünf einzelne Songs. Die einzelnen Passagen sind dabei immer dicht, aber nur selten vollgestopft, man muss "Group Theory: Black Music" nicht entschlüsseln, es macht einfach Freude, zuzuhören, wie auf "Mama" die Bläser um die Wette nach maternaler Liebe plärren. Das erklärt, macht es aber nicht weniger bedauerlich, warum sich Yenena, die Sängerin Gabi Motuba und der Schriftsteller Lesego Rampolokeng auf den letzten drei Songs des Albums wie Gäste anfühlen, die beim Jammen den Raum zu spät betreten, aber halt noch mitmachen wollen. Ändert nur wenig daran, dass Tumi Mogorosi mit "Group Theory: Black Music" ein Jazzalbum für die gelungen ist, die Jazz nicht mögen, und für alle anderen sowieso.
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