laut.de-Kritik
Klagender Gesang und Highspeed-Toastig zu aktuellen Roots-Riddims.
Review von Dani FrommWenn es irgendwo da draußen eine Galaxie der Worcaholics gibt, dann muss Turbulence wohl von dort gekommen sein. Das Arbeitsaufkommen dieses Mannes erscheint mir ebenso wenig von dieser Welt wie die unerreichte Wandlungsfähigkeit seiner Stimme, die sich in den unterschiedlichsten Stilen zu Hause fühlt. Für sein zweites Album für Brothermans Label Minor7Flat5 (insgesamt dürfte es so etwa sein zwanzigstes sein) legt Turbulence seinen Schwerpunkt zwar wie gewohnt auf die Roots, verblüfft aber alle Nase lang mit Um- und Abwegen in diverse andere Genres.
Gut gelaunte Bläser starten in "Pursue" einen fröhlichen Lobgesang. Turbulence blickt positiv nach vorne. Grund zur Sorge hat einer, der von "Rastafari will survive" felsenfest überzeugt ist, ohnehin kaum. Seine Botschaft: "Do good and good will follow", denn "love is the only solution". Klingt so gar nicht nach einem Sizzla-Klon: Dessen Fundamentalismus findet bei Turbulence keinen Platz, stimmlich und in punkto Bühnenpräsenz ist der dem Schatten den großen Kollegen ohnehin längst entwachsen.
Auf Brothermans Ivan-Riddim, zu dem unter anderem bereits Josie Mel dem Allmächtigen huldigte, erregt sich Turbulence über "Too Much Killing". Sehr minimalistisch gehalten, lassen Bass und orientalisch gefärbte Melodien der Stimme jede Aufmerksamkeit, die sie verdient - und sie verdient eine Menge: Die Energie der Jugend fusioniert mit der lässigen Abgeklärtheit eines alten Bühnenhasen. Einmal leicht heiser, einmal glasklar, einmal getragener, fast klagender Gesang, einmal Highspeed-Toastig: Turbulence besitzt offenbar mehr als eine Kehle, und alle sind sie golden.
Er predigt gegen Rassismus und "mental slavery", preist Haile Selassie, Toleranz und Nächstenliebe und zeigt sich darüber hinaus der Damenwelt gegenüber recht aufgeschlossen, ohne sich in plumpem Sexismen zu verstricken. Überwiegend im klassischen, freundlich-entspannten Conscious-Reggae zu Hause, gestaltet sich "Do Good" musikalisch erstaunlich vielseitig. "Freedom Train", das Turbulence gemeinsam mit Luciano intoniert, wirkt mit gefühlvoll gesungenen Passagen und dem dahinter aufblitzenden missionarischen Eifer eher wie eine Gospel-Nummer, und auch das schwungvolle Piano und der nach vorne treibende Rhythmus aus "Good Time" zählen nicht unbedingt zum klassischen Repertoire eines Reggae-Tunes.
Für "Move On" werden gar klassische Orchester- und Streicherklänge auf einen Dancehallbeat gepackt. Mit Unterstützung von Turbulences Homies von der Higher Trod Family entsteht so eine überaus seltsame Mixtur, die zwar nicht gerade in sich geschlossen, dafür aber doch immerhin niemals langweilig wirkt. Elektrofreunde finden im Northern Light-Remix von "Marihuana" ihr Bonbon. Der leicht zerfahrene, diffuse Eindruck, den die Version hinterlässt, steht einer Hymne an das bevorzugte Rauschmittel im Grunde nicht schlecht zu Gesicht. Spuren von Dub wabern durch "Facts" oder das mächtige "Give Thanx", in dem Turbulence die Marschrichtung klar vorgibt: "Move forward, not reverse." Machen Sie es so!
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