laut.de-Kritik
Leicht kitschiges Folk-Album vom Dashboard Confessional-Fronter.
Review von Andrea TopinkaDie ruhmreichen Zeiten von Dashboard Confessional, als ihre Alben "A Mark, A Mission, A Brand, A Scar" und "Dusk And Summer" in den Top 5 der US-Charts landeten, gehören schon länger der Vergangenheit an. Fast genau vier Jahre nach der letzten Veröffentlichung versucht Frontmann Chris Carrabba deswegen vielleicht den Neustart mit dem selbstbetitelten Debüt seines neuen Projekts Twin Forks.
Zusammen mit Suzie Zeldin (The Narrative), Ben Homola (Bad Books) und Jonathan Clark kehrt er im Zuge dessen Dashboards gefühlvollem Indie-Pop-Rock den Rücken. Aus Respekt vor seinen großen Folk/Country-Idolen und Furcht, nicht gut genug zu sein, habe er das Genre lange gemieden, erzählt Carrabba. Mit Twin Forks überwand er diese Zweifel aber offensichtlich und setzt mit einer recht traditionellen Mischung aus Folk(-rock), Americana und Country zum Sprung auf den Erfolgszug von Mumford & Sons, The Civil Wars, The Lumineers und wie sie alle heißen, an.
Geschickter Schachzug, schließlich scheint die Welt immer noch nicht genug von solchen Gruppen zu haben. Überraschungen braucht man deswegen nicht erwarten: Bei nach vorne stürmenden Nummern wie dem Opener "Can't Be Broken" oder "Cross My Mind" nutzen Twin Forks alle Mittel, die einen Ohrwurm oder zumindest Radiotauglichkeit generieren könnten, ohne dass es ihnen so recht gelingt: Pfeifen, Chor, fröhliche Melodien mit Mandoline, Gitarre, Drums und natürlich ganz viel Klatschen. Allgemein können die Bandmitglieder einen fast leid tun: Da Handclaps scheinbar Grundvoraussetzung für die Platte waren, dürften sie nach ein paar Auftritten langsam Krämpfe bekommen.
Unter derartigen Titeln, die mal weniger, mal mehr Assoziationen mit Of Monsters And Men ("Something We Just Know") hervorrufen, sticht der Track "Scraping Up The Pieces" ein bisschen heraus, bei dem Carrabba in den Strophen wie ein besoffener Seemann klingt und der im Kontext eines ländlichen Tanzabends mit Square Dance sicher ein Knaller wäre.
Auf der zweiten Hälfte des Albums ist es dann ziemlich vorbei mit der beschwingten Stimmung. Stattdessen reiht sich Akustik-Ballade an Akustik-Ballade. Am Ende runden die Dashboard Confessional-Gedächtnistrack anmutenden "Plans" und "Done Is Done", die sogar fast ohne Handclaps und Mandoline auskommen, ab und lassen vermuten, dass Carrabba mit dem emotionalen Indie-Rock doch noch nicht ganz durch ist.
Geschmackssache dürften die Texte sein: Abgesehen von Liebe thematisieren die zehn Songs eigentlich nichts. Dabei verfolgt Carrabba die Dashboard Confessional-Linie, Herzschmerz und süße Sehnsucht nach der großen Liebe überwiegen. (Reim-)Form geht manchmal allerdings vor Inhalt: "I won't ask you for too much / Good conversation and such" ("Cross My Mind").
Die Klischee-Kiste spuckt massenweise kitschgetränkte Bilder aus: Von musikalisch begabten Mädchen in kleinen Dörfern ("Kiss Me Darling"), zauberhaften Erscheinungen mit Engelsgesichtern, Löwen, also Mut, in den Augen, denen selbst der Teufel nicht widerstehen könnte ("Scraping Up The Pieces") oder vielleicht auch Beschreibungen von noch unerreichten Traumfrauen an ungewöhnlich warmen Frühlingstagen: "It's 90 degrees and it ain't even May" ("Reasoned And Roughened").
Eine nett gemachte Platte, die mit rund einer halben Stunde Laufzeit außerdem recht kurzweilig ist, mag "Twin Forks" sein, eine überflüssige aber vielleicht auch. Chris Carrabba hängt sich hörbar rein, krächzt sich seine Seele aus dem Leib, kriegt immer wieder mal Unterstützung von der klaren Stimme Suzie Zeldins - der Funke springt trotzdem nicht über, und am Ende kann man sich daran erinnern, dass es wohl ein paar Uptempo-Nummern und eine Handvoll Balladen gab, die alle recht ähnlich aufgebaut und deswegen schwer zu unterscheiden sind. Interessanter als die letzte Dashboard-Platte ja, aber leider trotzdem alles andere als der ganz große Wurf.
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