laut.de-Kritik

Das Allstar-Projekt wendet sich den Gitarren zu.

Review von

"Bitte vergib mir", fleht James Lavelle im Intro des neuen UNKLE-Albums. Das heißt, er tut dies natürlich nicht persönlich, sondern lässt wie gewohnt einer geliehenen Stimme den Vortritt, bevor er selbst in den verbleibenden paar Sekunden schnell noch Air samplet, um die Fan-Gefolgschaft hernach in "Chemistry" mit Streichern und einem verzögert einsetzenden Gitarren- und Drumgewitter auf ein neues Kapitel im UNKLE-Sounduniversum einzustimmen.

"Wenn man die erste Platte als UNKLE meets Hip Hop bezeichnet und die zweite als UNKLE meets Electronic, dann ist diese hier UNKLE meets Rock", urteilte der Meister im besten Musikjournalistensprech über sein eigenes Werk. Sicher kein Grund, sich zur Begrüßung bei den Hörern entschuldigen zu müssen. Zumal die Single "Burn My Shadow" im Verbund mit The Cult-Sänger Ian Astbury die Qualitäten Lavelles am Ersinnen düster-emotionaler, mit Membran erzitternden Beats unterlegter Klanggebilde einmal mehr hervorragend demonstrierte.

Hier durfte nicht nur ausdauernd gestaunt werden, wie elegant die pathetische Stimme Astburys doch mit den clubtauglichen Rumms-Nummern des UNKLE-Masterminds harmoniert, sondern vor allem, welche Präsenz der alte Rockbarde noch aufbringt. Mal schauen, inwieweit das auch auf dem für den Spätsommer angekündigten Cult-Album funktioniert.

Trotz der leichten soundspezifischen Umorientierung bleibt sich das Projekt von Lavelle und seinem Kumpel Richard File natürlich in der wichtigsten Sache treu: Die Namensliste ihrer Gastmusiker muss mindestens so glänzen wie der Aufgang des Weißen Hauses, dessen gegenwärtiger Hausherr Lavelle natürlich noch immer ein Dorn im Auge ist und der somit mal wieder für einen Albumtitel Pate steht.

Vielleicht um auf den Spuren all jener subtropischen Temperaturen ausgesetzten Bush-Krieger im Irak zu wandeln, buchten UNKLE für "War Stories" die Rancho De La Luna-Studios in der kalifornischen Wüste am Rande des Joshua Tree-Nationalparks. Eine stilvolle Wahl auch im Hinblick auf das gewünschte Rock-Gesamtbild, da der Studiobesitzer Dave Catching gleichzeitig bei den Eagles Of Death Metal spielt und die alten Wüstenrock-Spezis Chris Goss (Produzent) und Josh Homme (QOTSA) auch nur einen Steinwurf entfernt wohnen.

Homme macht seine Sache recht gut: Schon die Gitarren in "Chemistry" gingen auf seine Kappe, im vergleichsweise eingängigen "Hold My Hand" (mit tricky Bowie-Sample) setzt er sich außerdem noch an die Drums und verhilft dem singenden Lavelle zum wohl besten Albumtrack, bevor er in "Restless" endlich selbst singen darf. Einmal mehr beeindruckt, wie sehr sein Gesangsstil mittlerweile zu einem Trademark geworden ist.

Insgesamt ist bei Lavelles "War Stories" allerdings zu viel Sand im Getriebe. Viele Ideen scheinen mehr oder weniger passabel in neuer Form wieder aufgekocht worden zu sein. Hier mal etwas Psychedelik im Stile der Chemical Brothers ("Keys To The Kingdom", "Price You Pay"), dort das bei UNKLE auch nicht unübliche, ziellose Dahinwummern mit unterschiedlichen Gesangsfarben ("Mayday" mit Duke Spirit, "Persons & Machinery" mit Autolux).

Massive Attacks 3D kitzelt mit seinem hallunterlegten Vortrag aus dem sanften "Twilight" auch nicht die erhoffte hypnotische Kraft heraus. Das mit Goss- und Catching-Gitarren aufbrausende "Morning Rage" lässt gegen Ende noch einmal aufhorchen und korrespondiert auch einfach besser mit der bekannten UNKLE-Vorliebe für eine symbolbeladene Grafik, die diesmal u.a. brennende Autos, Fahnen schwenkende Schattenarmeen und auf Rücken projizierte Totenköpfe illustriert.

Der vierzehnteilige Desert Song-Reigen, wie ihn Lavelle selbst bezeichnete, endet mit dem zweiten Astbury-Beitrag "When Things Explode", einer sentimentalen Streicherballade, die für einen gedämpften Ausklang sorgt. Im direkten Vergleich wahrscheinlich trotzdem die schwächste UNKLE-Platte.

Trackliste

  1. 1. Untitled
  2. 2. Chemistry
  3. 3. Hold My Hand
  4. 4. Restless (feat. Josh Homme)
  5. 5. Keys To The Kingdom (feat. Gavin Clark)
  6. 6. Price You Pay
  7. 7. Burn My Shadow (feat. Ian Astbury)
  8. 8. Mayday (feat. Duke Spirit)
  9. 9. Persons & Machinery (feat. Autolux)
  10. 10. Twilight (feat. 3D)
  11. 11. Morning Rage
  12. 12. Lawless
  13. 13. Broken (feat. Gavin Clark)
  14. 14. When Things Explode (feat. Ian Astbury)

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