laut.de-Kritik

Knirschendes Geballer und poppige Moderne in ästhetischer Symbiose.

Review von

Wer sich in den Internet-Kreisen der Gitarrenheld*innen oder des modernen Metal aufhält, sollte von Unprocessed Notiz genommen haben. Manuel Gardner Fernandes als Innovator dessen, wie futuristisch man eine Gitarre klingen lassen und spielen kann, steht beim ersten Blick im Vordergrund.

Aber je länger man sich mit der Band beschäftigt, desto mehr lernt man sie für mehr als nur technische Skills schätzen: für den Drang, Neues zu wagen, für catchy Hooks, fette Riffs und dann wieder cleane Gitarren, die eine Lässigkeit haben, wie man sie eher aus dem Hip Hop kennt. Es ist ein modern klingender Sound, der Pop-Melodik, technisch anspruchsvolles Flexen am Instrument und stampfende Heavyness in einer sehr cleanen Ästhetik miteinander verbindet. Und ja, Unprocessed kommen aus Wiesbaden.

Nach den recht erwartbar klingenden Progressive-Metalcore-Anfängen kam mit "Gold" 2022 ein Pop-Album, das ihren Stil deutlich erweiterte, aber nicht allen gefiel. Und wahrscheinlich für immer mein großer Hot Take: ihr bestes und einzigartiges Album, weil sie genau zeigten, wie viel Sinn für Melodie, Groove und Soundästhetik sie hatten. Alte und neue Fans wurden dann aber mit "... And Everything In Between" (2023) versöhnt. Ein Werk, das eine bewusste Rückkehr zu fetten Breakdowns, Screams und komplexen Songstrukturen war, aber eben die Melodien und Soundspielereien der "Gold"-Ära beibehielt – unvorhersehbar, dicht und neuartig. Unprocessed scheinen nun an der Spitze ihrer Popularität zu sein, und man erwartet Innovation. Wie geht's weiter?

"Angel" wirkt wie die reifere Version von "... And Everything In Between". Während der Vorgänger noch an jeder Ecke plötzlich den überraschendsten Jumpscare und brachial klingendsten Breakdown einwerfen wollte, wirken die Songs auf "Angel" klarer sortiert. Das tut insbesondere den Balladen gut. Neu klingende Twists gibt es trotzdem an vielen Ecken. "Sacrifice Me" etwa ist ein Metalcore-Song mit eingängigen Melodien und einer sinnvoll fließenden Songstruktur, die sich befriedigend zu einer euphorischen Explosion im letzten Refrain aufbaut. Aber im Breakdown werden tiefe Gitarren-Chugs mit plötzlichen Chor-Seufzern abgewechselt – sehr geschmackvoll eingesprenkelte Überraschungsmomente.

"111" als Opener fasst genau das zusammen, was man an dieser neuen Ära von Unprocessed liebt. Nasty Riffs und Breakdowns kommen mit einem Gitarrensound um die Ecke, der irgendwie präzise clean und fett verzerrt gleichzeitig klingt und damit den perkussiven Stil unterstreicht. "Let my wings take care of you and take you for a ride", singt Manuel Gardner Fernandes in einer zärtlichen Piano-Bridge, bis die Hook das Chaos mit erhebendem Momentum zusammenklebt.

Auch "Snowlover" ist ein Paradebeispiel davon, wie man Heavyness und Pop miteinander verbindet. Die Riffs sind tief und chunky, zugleich aber tanzbar groovy; in der Bridge liefern sich zwei Bandmitglieder ein Scream-Duell, bis es schnell wieder in einen Ohrwurm-Refrain übergeht. Nichts daran wirkt gezwungen, sondern nach einer perfekten Balance.

In den 50 Minuten finden sich auch Momente, in denen die Mischung nicht so perfekt aufgeht. "Head In The Clouds" hat einen der mächtigsten Gitarrenteile des Albums, der aber schnell mit einem numetalligen Gespitte von Fever-333-Frontmann Jason Aalon Butler überladen wird. Ähnlich unfresh ist der Rap-Part in "Solara", und der Refrain in "Beyond Heaven's Gate" wirkt nach einer generischen Unprocessed-Hook, die ein wenig langweilt.

Zum Glück ist das die Ausnahme. Tracks wie "Terrestrial" und "Sleeping With Ghosts" bringen überraschende neue Ideen hinein und der dreigeteilte Closer "Dark, Silent And Complete" reißt trotz so vieler Wendungen bis zum epischen Finale mit. Nachdem das Vorgängeralbum noch die ungezähmte "Hell" war, umarmt uns der "Angel" geradezu – und dennoch kann jeder Flügelschlag einen aufregenden Twist bringen. Eine stimmige Symbiose, die der Bassist so auf Instagram zusammenfasst: "It's dark in places, but what shines though is an ethereal, heavenly layer of light!"

Trackliste

  1. 1. 111
  2. 2. Sleeping With Ghosts
  3. 3. Beyond Heaven's Gate
  4. 4. Sacrifice Me
  5. 5. Snowlover
  6. 6. Terrestrial
  7. 7. Your Dress
  8. 8. Where I Left My Soul
  9. 9. Solara
  10. 10. First Tongue
  11. 11. Perfume
  12. 12. Head In The Clouds
  13. 13. Dark, Silent And Complete

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Unprocessed – Angel €11,99 €3,00 €14,99

Videos

Video Video wird geladen ...

2 Kommentare