laut.de-Kritik
Wie ein durchtrainierter Muskel: hart und geschmeidig.
Review von Eberhard DoblerEs muss ja nicht immer gleich die große Rockhistorie sein. Viel wichtiger für einen persönlich bleibt doch die Frage, ob der Shit auf Anhieb mitreißt, wie eine Welle ihren Surfer. So geschehen beim "Persona Non Grata"-Albumtrack Nummer drei, "No Honestly!".
Urban Dance Squad haben ihr Kapitel in der Rockgeschichte dennoch sicher. Als sie Gitarren, Drums, Bass, DJing, Samples und Rapvocals zusammenwarfen, wurde ihr Aufschlag "Mental Floss For The Globe" 1989 international gehört ("The first Dutch rock band with a rapper"): Nicht nur Rage Against The Machine fanden den Stilmix aus Holland inspirierend.
Besagtes Debüt und der Nachfolger "Life'n Perspectives Of A Genuine Crossover" (1991) - die Platte gäbe schon allein ihres Titels wegen einen Meilenstein her - definierten die Grundkonstanten des UDS-Sounds: Ein Track wie "Famous When You're Dead" (1989) brachte es fertig, trotz Rock-Logik (70er-Gitarren oder ein recht ausdifferenziertes Schlagzeugspiel) nach Hip Hop zu klingen.
Gleichwohl steuerten die Niederländer erst mit einer Verschiebung der Soundkoordination auf ihren Höhepunkt zu - und lustigerweise brachte sie das näher an Rage Against The Machine heran als zuvor: Dominierte bis dato ein stilistischer Melting Pot mit recht undurchsichtigem, manchmal gewollt chaotischem Klangbild, kehren UDS nach dem Ausstieg ihres Turntablers DJ DNA (1993) auf "Persona Non Grata" entschlackt und durchtrainiert zurück. Man kann jetzt sozusagen jede Muskelfaser sehen.
Besagte Hardrock-Rap-Essenz "No Honestly!" oder Tracks wie "Good Grief!" und die wohl bekannteste Dance Squad-Single, der Opener "Demagogue", demonstrieren diese neue Heavyness und Klarheit im Klangbild, die von Anfang bis Ende durchgezogen wird: So wuchtig direkt kam der UDS-Groove noch nie. Was in früheren Nummern wie "Fast Lane" oder "Mr. Ezway" schon angelegt war, drängt nun erbarmungslos an die Oberfläche.
Erbarmungslos zwar, aber eben unverkrampft und nicht verbissen oder übermotiviert - genau das zeichnet die Platte aus. So rücken nach dem Wegfall der Sample-, Overdub- und Scratchanteile die anderen Bestandteile hörbar nach vorne.
Das zeigt sich gerade bei den Drums: Magic Stick haut zwar von Grund auf verdammt erdig und krachend zu, aber eben musikalisch auch ziemlich clever und funky. Hier mal ein paar Schläge auslassen oder verzögern, dort dann wieder den Groove mit dynamischen Fill-Ins anschieben oder mit Snaresynkopen antreiben. Der Mann pulsiert am Kit.
Ähnliches gilt für die Vocals: Rudeboy rappt sich in den Strophen schon mal den Mund fusselig ("Burnt Up Ciagrette"), kommt in den Refrains aber immer mit griffigen Parolen zu Potte, denen ein fetter Bandchor den letzten Kick gibt ("Demagogue"). Rudeboy intoniert messerscharf - passenderweise beginnt er die Platte mit den Worten "I kick the lyrics so hard / people get injuries") - hat auf der Textebene aber eine Dicke Hosen-Attitüde nicht nötig (der funky Knaller "Selfstyled").
Deutlich zu hören ist auch Tres Manos. Der UDS-Gitarrist mixt den grundsätzlichen Jamcharakter seines Spiels ("Downer") mit heavy Riffing: Er sorgt für die entscheidenden und unvorhersehbaren Zwischentöne, die eine Platte über die ganze Distanz lebendig halten. Viersaiter Sil spielt dazu wahlweise synchron oder verzierend, sein Verzerrer dröhnt im Untergrund wie ein Motor.
Ein Moment, der die neue Dynamik visuell abbildet, findet sich auf dem doppelseitigen Proberaumfoto im CD-Booklet: Magic Sticks Haare fliegen durch die Luft, Rudeboy schreit ins Mikrofon, Tres Manos tritt aufs Effektpedal.
Die Platte wurde in London und Philadelphia eingenagelt. Am Pult standen der spätere Grammy-Gewinner Phil Nicolo (Teil des Produzentenduos Butcher Bros.) sowie Dave 'Stiff' Johnson (u.a. Cypress Hill, Fishbone). Und die Herren haben ganze Arbeit geleistet: Bei aller Transparenz röhrt und brettert das Ding bei entsprechender Lautstärke noch heute mit genau der richtigen Dosis Aggression los.
"Persona Non Grata" ähnelt einem tight trainierten Muskel, der bei aller Kraft schön geschmeidig bleibt. Schade, dass Urban Dance Squad der ganz große Erfolg verwehrt blieb.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
16 Kommentare mit 2 Antworten, davon 8 auf Unterseiten
Wow, schon das dritte '94er Album in Folge. Um das Musikjahr 1994 nochmal auf Normalmaß zu stutzen, hier die Jahrescharts anno '94:
1. Mariah Carey – Without You
2. All-4-One – I Swear
3. Wet Wet Wet – Love Is All Around
4. Bruce Springsteen – Streets of Philadelphia
5. Magic Affair – Omen III
6. Marusha – Somewhere over the Rainbow
7. East 17 – It’s Alright
8. Bryan Adams, Rod Stewart & Sting – All for Love
9. DJ BoBo – Everybody
10. Crash Test Dummies – Mmm Mmm Mmm Mmm
Noch keine Wortmeldung zum Album? War eigentlich klar, dass die Hipster-Lappen hier dieses Kleinod nicht kennen.
ich habe das gefuehl, dass die ironie in deinem post unbeabsichtigt ist
Monsterplatte.
So isses! Läuft bei Dobler jeden Tag auf'm Klo. Hart und geschmeidig und so
Urban Dance Squad, the The und Mc 500 ft Jesus --> schade, dass es bei diesen nie mehr richtig weiter ging. Rude Boy hat ja mal noch bisschen mit Junkey XL weitergemacht, aber UDS war einfach der Kracher!
Hab eine gebrauchte Version in gutem Zustand via Amazon gekauft. Geiles Album nur Morellos Riffs fehlen.
Danke dass ihr mich wieder an dieses Kleinod in meinem Plattenschrank erinnert habt. Demagogue geht jetzt auf meinen nächsten Geburtstagssampler für eine Freundin!