laut.de-Kritik
Die Tracks dieser Werkschau sind über jeden Zweifel erhaben.
Review von Alexander EngelenDrei Jahre nach dem Tode James Yanceys kompilieren die Herrschaften von Rapster Records die verschiedenen Produktionen des Detroiters. Revolutionär ist das natürlich nicht. Weil der Produzent von der Szene schmerzlich vermisst wird, überfluten Best Of-Mixes, Tribute-Podcasts und inoffizielle R.I.P.-Compilations schon jetzt das Netz.
Wahrscheinlich wird auch jeder Head, der auch nur die kleinste Freude an Kick&Snare findet, zumindest eine Dilla-Playlist im iTunes-Ordner haben. Sinn und Zweck von "Dillanthology" sind also schwer auszumachen. Die musikalische Klasse der dreizehn ohne großes Konzept zusammengewürfelten Tracks schmälert das natürlich in keiner Weise.
Tatsächlich sind hier großartige Stücke aus dem noch großartigeren Katalog des Detroiters zusammengetragen. The Pharcydes "Runnin'", jenes Kleinod aus Dillas Delicious Vinyl-Zeit, gilt seit jeher als eine der größten Taten des Produzenten. Der herrlich hypnotisierende Boombap, der Gitarren-Loop, L.A.s Pharcyde in Bestform und eine der wunderbarsten Bridges, die Hip Hop je hervorgebracht hat. Sogar Eminem zollte dem Song Respekt, als er ihn in einer Szene seines Blockbusters "8 Mile" aus den Boxen schallen ließ.
Ein weiterer Track aus der für Dillas Karriere wichtigen Zusammenarbeit mit den Kaliforniern von The Pharcyde bietet "Drop", das zugleich Dillas weit gefächertes Talent unter Beweis stellt. Die durch den Wolf gedrehten Keyboards zeigen die Vorliebe für eine gewisse elektronische Komponente, die Jay Dee bis zu seinem Tod pflegte. Seinen Detroit-Wurzeln zollte er nämlich nicht nur hinsichtlich der Motown-Tradition Respekt, sondern auch aufgrund der Stellung, die Techno in der Musikgeschichte der Arbeiterstadt einnimmt. Natürlich stellte er dabei diverse Synth-Spielereien stets unter das Diktat der Drums - der klatschende Tschack auf "Drop" ist dafür ein beeindruckendes Zeugnis.
Beide Stücke entstanden zu Beginn einer Schaffensperiode, die Dilla in New York verbrachte und während der er mit dem Soulquarians-Kollektiv um James Poyser, Q-Tip, Common, D'Angelo und anderen die Leftfield-Hip Hop-Welt auf den Kopf stellte. In Jimi Hendrix' ehemaligem Studio, dem Electric Ladyland, entstanden in Folge Songs wie Commons "The Light", mit seinen treibenden Drums, einnehmenden Synth-Line und der warmen Bilal-Hook, oder Erykah Badus "Didn't Cha Know", mit einem Bass-geschwängerten Wohlfühl-Groove.
Beide Tracks stehen für zwei Alben-Klassiker, an denen Jay Dee maßgeblich beteiligt war: Commons "Like Water For Chocolate" und Badus "Mama's Gun". Auch die Native Tongues-Bewegung trägt zu weiten Teilen seine musikalische Handschrift. "Dillanthology" beweist das nicht durch ein naheliegendes Beispiel von A Tribe Called Quests "The Love Movement", sondern mit De La Souls "Stakes Is High". Auch hier geben Trademark-Drums den Ton an, ein Ahmad Jamal-Sample vollendet den simplen Genuss.
Es ist offensichtlich, Dilla strebte nicht nach formvollendeten Vielspur-Produktionen. Er entfaltete auch lediglich auf Sample und neben den Punkt gesetzten Drums seine ganze Magie. Wunderbar dargelegt an The Roots' "Dynamite" oder Slum Villages "Fall In Love" - beide zelebrieren als Lehrstücke aus Gitarre und Kick&Snare Einfachheit in Perfektion.
Weitere Highlights folgen: Das elektrifizierte und relativ unbekannte "Hip Hop Quotable" mit äußerst interessant zusammengewürfelter Unterstützung von A.G. und Aloe Blacc. Außerdem die Großtat "Show Me What You Got", basierend auf Stereolabs "Come And Play The Milky Night", mit Langzeit-Kollaborateur Busta Rhymes, der im Verlauf seiner Karriere auf jedem seiner Alben eine Dilla-Produktion unterbrachte.
Erwähnung findet außerdem Soul-Sänger Amp Fiddler, dessen angefunkter Track "I Believe In You" zwar nicht zu Dillas besten Produktionen gehört, der jedoch in einer Werkschau nicht fehlen darf. Schließlich war er es, der dem jungen Dilla einst seine erste MPC schenkte und ihm die grundlegenden Kniffe des Samplers näher brachte.
Zu guter Letzt trällert der Engländer Steve Spacek über einen der interessantesten Beats des Detroiter Meisters. Auf "Dollar" kommt Dilla mit rudimentärsten Drums aus und flippt Billy Pauls "Let The Dollar Circulate" so frech, dass man sich als Zuhörer dem sich der Ewigkeit annähernden Loop nicht entziehen kann. Ein perfektes Beispiel für Dillas Kaltschnäuzigkeit und zugleich gutes Händchen, wie weit man bei der Benutzung eines Samples gehen kann.
Alle Stücke sind natürlich nicht nur aufgrund der Entzugserscheinungen, die die Szene seit Dillas Ableben spürt, über jeden Zweifel erhaben. Allerdings bietet diese Werkschau keine großen Neuigkeiten oder Überraschungen.
Außerdem bin ich gegenüber jeder Veröffentlichung Dillas Material skeptisch, deren Erlöse nicht direkt an die Mutter des Verstorbenen gehen. Denn Ma Dukes sitzt nach wie vor auf einem Schuldenberg aus Krankenhaus- und Arztkosten, die von dem langen Kampf ihres Sohnes gegen seine Lupus-Erkrankung übrig geblieben sind. Leider hat sich noch keiner der Bewunderer Dillas um diese ausstehenden Rechnungen gekümmert. Vielleicht etwas, worüber sich die Szene mal Gedanken machen sollte.
2 Kommentare
wieder ma ne best-of review...
DILLA FOREVER!
ts