laut.de-Kritik
Flirt zwischen Tastendrückern und Saitenakrobaten.
Review von Daniel StraubPlakativ prangt hier vom Cover, was lange Zeit nicht zusammengehörte und auch gar nicht zusammenpasste: Electro Rock. Rock, das riecht nach handgemachter Gitarrenmusik von verschwitzten Typen mit wallendem Haupthaar. Electro wird hauptsächlich von postmodernen Robotermenschen gemacht, die im Kühlschrank leben. Zwischen Rock und Electro verlief lange Zeit der Mariannengraben der Musik. Gegenseitige Befruchtungen wie The Prodigy oder Fatboy Slim? Eher die Ausnahme, denn die Regel.
So zumindest wollen es einem die gängigen Klischeebilder einreden. Dass Tastendrücker und Saitenakrobaten bereits seit den Anfangstagen elektronischer Musik immer mal wieder miteinander flirten, gerät dabei ziemlich schnell in Vergessenheit. Krautrock? New Wave? War da was? Mit den beiden vermeintlichen Gegensatzpaaren Electro und Rock spielen auch die 16 Tracks der dieser Tage veröffentlichten Kompilation "Electro Rock".
Denn schließlich hat die Fusion der beiden Musikstile spätestens seit dem Electroclash-Hype wieder Konjunktur. Console-Gretschmann darf sein verwaschenes Motörhead T-Shirt jetzt stolz zur Schau tragen, und Altpunker Iggy Pop klopft bei Peaches an die Studiotür. Und einige Bands, die früher Electro waren, können jetzt unter dem Label Electro Rock nochmal recycelt werden. Playgroup oder Miss Kittin & The Hacker fallen genauso in diese Kategorie wie Tricky, dessen "Stay" bislang ebenfalls nicht in den Verdacht geriet, unter dem Banner Electrorock zu firmieren.
So bietet "Electro Rock" über weite Strecken wenig Neues. Das ist schade. Andererseits scheinen zwischen all den wiederaufbereiteten Tracks einige bislang wenig bekannte Perlen auf. Ein Beispiel: das französiche Duo Bosco, dessen Electro-Groover "Hi & Hat" mit seiner mächtigen Bassline direkt in die Beine geht. Noch ein Beispiel: der Livemitschnitt des The Juan Maclean-Killerstücks "You Can't Have It Both Ways", dessen wavig arrangierte Flächen Altstar Gary Numan blass aussehen lassen.
Insgesamt könnnen die beiden exzellenten Tracks von Bosco und Juan Maclean jedoch nicht über den größtenteils lauen Aufguss hinweg täuschen. Das mag auch am eng gewählten Fokus liegen, in dessen Blickfeld vor allem Produktionen aus dem Umfeld des New Yorker Labels DFA Records fallen.
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