laut.de-Kritik
Von der glücklichen Aufbruchstimmung der 70er.
Review von Joachim GaugerHei, die Siebziger. Da scheppert die Hammond-Orgel, da zirbt die Sitar, da schwoft der Rhythmus. "Psychedelic Jazz - 16 Smokin' Tunes" heißt der Sampler, der dieses bunte, relativ sorglose und oft stark vernebelte Jahrzehnt auf angenehmste Weise wieder aufleben lässt.
Das treibende "The Fuzz" eröffnet den Reigen. Allerlei glitzerndes Schlagwerk und singende Gitarren umspielen das perlende Vibraphon in diesem Jazzrock-Track aus dem 71er Debüt von Roy Ayers Ubiquity, das heute kaum noch zu bekommen ist. Mehr oder weniger rar sind eigentlich alle Teile dieser Zusammenstellung.
Das gilt auch für "Mathar" vom zweiten hier vertretenen Vibraphonisten Dave Pike: Von Big Beats und einer psychedelisch zirpenden Sitar angetrieben, entwickelte sich der Song von 1969 in den letzten Jahren sogar zum Club-Hit. Schön das dieser Klassiker sogar zweimal vorkommt. Allerdings reicht der Frank Popp Ensemble Mix ganz am Ende der Platte nicht ganz an das Original ran: er verstärkt zwar mit rollenden Grooves und schneidenden Bläsern den Clubcharakter, nur geht mit der übersteuerten Sitar auch die eher lsd- als dope-geschwängerte Atmosphäre flöten.
Eindeutig an der Psyche hatte es wohl auch Pierre Henry, auch wenn der Remix seiner 50er Jahre Komposition zeitlich etwas aus dem Rahmen fällt. Danach erinnern schöne Kompositionen von Wolfgang Dauner und Volker Kriegel an die Zeit des Aufbruchs in Deutschland. Im Vergleich zu den anderen meist locker swingenden Tracks klingen die beiden Landsleute und späteren Mitbegründer des United Jazz & Rock Ensemble allerdings etwas statisch, als habe das Nationalgetränk allzu zügellose Bewusstseinserweiterung im Keim erstickt.
Alkoholschwer tönt auch bereits Anfang der Siebziger Udo Lindenberg, der im überraschend groovenden "Big Family" von Free Orbit (u.a. mit Peter Herbolzheimer) unter dem Pseudonym Lyndon Berg die Felle gerbt und eine wilde Zweitstimme grölt. Hervorzuheben wären noch zuvor "Santana" von Okko Becker, nachher etwa "The Squire" von The Mike Nock Underground oder "Season of The Witch" von der fabelhaften Julie Driscoll. Wie die meisten anderen Stücke zeugen sie von glücklicher Aufbruchstimmung und machen "Psychedelic Jazz" zu einem Album, das sich bestimmt auch ohne Drogen prima genießen lässt. Mal rein theoretisch.
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