laut.de-Kritik
Oft gecovert - nie erreicht.
Review von Stefan JohannesbergRio Reiser, Poet und Rebell. Oft gecovert - nie erreicht? Nach dem Freundeskreis, Nina Hagen, Slime und den Teenie-Poppern Echt zollen nun fünfzehn weitere Künstler dem 1996 gestorbenen Ton Steine Scherben-Frontmann musikalisch ihren Respekt. Von Rappern wie Ferris MC über die Elektro-Sweeties Paula bis zu Wellen-Königin Nena beteiligt sich die deutsche Pop-Elite am "Familienalbum". Mit durchwachsenem Erfolg.
Die Hip Hop-Familienfraktion gibt sich ausnahmsweise eher rockend als rappend. Ferris MC macht mit Tobi Tobsen aus dem überhörten Partykracher "König Von Deutschland" einen NDW'schen Elektropunk-Song. Seine hingerotzten Vocals erreichen fast die Tiefe eines Rio Reisers. Fast. Die Fetten Brote grooven dagegen auf dem Solotrack "Ich Bin Müde" mit funky Orgel im Stile der Hamburger Schule. Locker links rein, flockig rechts raus.
Die Söhne Mannheims interpretieren den Ton Steine Scherben-Klassiker "Meine Name ist Mensch" als einen gitarrenlastigen Reggae-Tune. Mit Zeilen wie "Meine Väter sind schwarz, meine Brüder sind gelb, meine Mütter sind rot, meine Schwestern sind hell" erreicht Xavier Naidoo als Einziger neue Ufer und fast Rio selbst. Fast. Von dessen intensiver Klasse weit entfernt sind dagegen Marianne Rosenberg, Nena und Joachim Witt. Reiser-Songs sind weder Tuntendisco, noch Luftballons und schon gar nicht barocker Rammstein-Sound.
Natürlich darf auch die neue Berliner Szene nicht fehlen. Paula flüstern erotisch hauchend "Mitten In Der Nacht", während Wir Sind Helden trotz charismatischer Stimme selbst gegen die smoothe Freundeskreis-Version von "Halt Dich An Deiner Liebe Fest" verlieren. Vom Original ganz zu schweigen. Die Sterne machen es da besser, indem sie bekannt arrogant leidend, "Wenn Die Nacht Am Tiefsten Ist" ihrem Style treu bleiben.
Etwas abseits ihres Stils punkrocken die Fehlfarben schmissig bei "Nicht Noch Mal". Einmal aufs Maul, bitte! Eher überraschend gut kommt dagegen die sympathische 16-jährige Nachwuchssängerin Jessina mit "Wann?" zu Recht, sie kreiert daraus einen erfrischend naiven, nach vorne preschenden Track mit Hitpotential.
Als bester Song joggt jedoch das unveröffentlichte Reiser-Stück "Herzverloren" mit himmelweiten Abstand ins Ziel. Die Solowerke waren immer an der gefährlichen Grenze zum soften Schlager-Kitsch. Doch mit seiner melancholischen Wildheit zog er jeden in seinen Bann. Wenn Rio "Ich hab mein Herz verloren, aber vielleicht schenkst du mir deins" nöhlt, dann ist genau das schon längst passiert. Ralph Möbius aka Rio Reiser, Oft gecovert - nie erreicht.
1 Kommentar
Ich finde die Idee des "Familienalbums" in Gedenken an Rio superklasse und ich kann Dir in Deiner Rezension in absolut jedem Punkt völlig beipflichten...die Stimme und der Mensch "Rio" sind unnachahmlich, daher ist das Lied "Herzverloren" einfach unschlagbar...aber Respekt den anderen Sängern und Bands und Dank dafür, einen der genialsten deutschen Musiker diese Art von Respekt und Anerkennung zu erweisen
Wir werden Dich nie vergessen Rio!!