laut.de-Kritik
Ein Appetitanreger auf gechillten Deutschrap.
Review von Philipp GässleinDie Zeiten, als kleine Hip Hop-Labels wie Pilze aus dem Boden schossen, sind vorbei. Die Pleite des Vorreiters Eimsbush dürfte daran wohl den maßgebenden Anteil haben. Eine Ausnahme bildet Schmuf Hamburg, das einen längeren Entstehungsprozess hinter sich hat. Durch das vorsichtige Signing (bisher sind lediglich die Künstler Ill Phill, Bo Flower und Temmy Ton unter Vertrag) bewegt man sich auch im nicht all zu risikoreichen finanziellen Rahmen.
Während vergleichbare Unternehmen in der Hauptstadt durch Ghettoproletentum, Messerstechereien und Indizierungsverfahren für Furore sorgen, fährt Schmuf Hamburg eine völlig andere Schiene. Die Artists überschlagen sich förmlich mit Versuchen, den Chef in puncto Relaxen und Chillen zu toppen. Mörderische Reimsalven in Höchstgeschwindigkeit sucht man hier vergeblich, wenn man von "Rock" einmal absieht, dessen Urheber allerdings auch labelfremd sind. Ob dieses Rezept sich als ebenso erfolgreich erweist?
Den Auftakt bildet die junge Temmy Mutlu aka. Temmy Ton. Mit dem schönen, belanglosen "Hör Ma Zu" wirkt sie ein wenig wie das weibliche Pendant zu Clueso. Die Labelhymne "Schmuf Hamburg" spielt allerdings in einer völlig anderen Liga. Der Beat wäre trotz Danceflooradaption ja noch okay und Bo Flowers Reime durchaus im Rahmen, doch Annie Questions Hookline könnte Mama ihrem Kinning noch als Wiegenlied vorspielen. So emotionsgeladen wie eine leere Duracell.
Das sehr intime "I Need A Place" untermauert den ersten, sehr guten Eindruck von Temmy Ton. Während der Style leicht an Fiva erinnert, reicht die Tonfarbe locker aus, Rah Digga lyrisch die Augen auszukratzen, sollte sie das wollen. Doch die Dame scheint eher einen Narren an Reggaebeats gefressen zu haben, wie sie bei "Smooth & Relaxed" oder dem grandiosen "Nomen Est Omen" unter Beweis stellt.
Auch Labelkollege Ill Phill zielt in diese Richtung. Dieser Junge flowt mit 19 Jahren schon so meisterhaft wie es andere ihr Leben lang nicht schaffen. Schade, dass sich auf der Platte nur ein Track von ihm findet, mehrere wären der Qualität sicher zuträglich gewesen. Bo Flowers Crew Aufnahmezustand liefert mit "Another Drink" und "Honks 2002" zwar noch zwei recht gute Partytracks ab, alleine kann der Rapper aber außer bei "Ein Traum Wird Wahr" leider nicht voll überzeugen.
Der Sampler erfüllt seinen Zweck als Vorstellung der einzelnen Wortakrobaten mehr oder weniger gut und fungiert als hervorragender Appetizer auf das Temmy Ton-Solo, das im Dezember in die Läden kommt.
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