laut.de-Kritik
Der mürrische Frankfurter bewahrt sich seinen guten Kern.
Review von Dominik Lippe"Hab' Untergrund in dunklen Bunkern gelebt. Kunst gemacht, die Nutten und Pumper verstehen." Angesichts des jüngsten Charterfolgs mit seinem sechsten Soloalbum dürfte Vega den Umfang seiner Zielgruppe maßlos unterschätzen. Auf "Locke" tritt der Frankfurter erneut als sensibler Underdog auf, der sein Publikum mit schwer verdaulichen Botschaften verköstigt: "Ich bin kaputt, Mann, und ich lieb', wenn es knallt. Ich bin ein Schwergestörter." Dass er damit im Gegensatz zu Private Paul nicht nur Liebhaber erreicht, wirkt als Hoffnungsschimmer für die Gucci anbetende Szene.
"Frohes Neues", ertönt es leicht verspätet im melodramatischen "Locke", bevor er sich im weit weniger majestätischen "Burberry" seinem Hauptthema widmet. Vega berichtet vom "Krisenherd" seiner Heimatstadt, dessen Probleme er schicksalsergeben erträgt. Das gilt auch für seine privaten Notlagen wie dem Hang zu Alkohol. Am Ende des Tages liegt es eben "In Den Genen". Obwohl er sich klar den "unteren Klassen" zugehörig fühlt, bleibt immer das diffuse Gefühl, verloren zu sein: "So oft gefragt: 'Wo ist mein Platz?' Doch was bleibt, ist das Gefühl, dass ich nicht reinpass'"
Anders als die 187 Strassenbande, die gedanklich längst durch eine postapokalyptische Wüste à la "Mad Max: Fury Road" marodiert, kann sich Vega aber eine lebensbejahendere Welt zumindest noch vorstellen. Davon zeugt der Kitsch, dem Vega an der einen oder anderen Stelle frönt. "Wir beide kommen aus 'ner unterschiedlichen Welt. Alle deine Freunde wundern sich wie das hält", charakterisiert der Rapper eine Amour fou in "So Schön Falsch". Toksi übergießt den Song im Refrain mit einer großen Portion Schmalz: "Wenn du sagst, dass du mich liebst, klingt es so schön falsch."
An der Sentimentalitätsschraube dreht auch Montez in "Irgendjemand Wie Du". "Nur wir beide gegen tausende von denen", bedient sich Vega am abgeschmackten Bonnie-und-Clyde-Motiv. Dennoch gibt das Stück dem Frankfurter Ultra eine sympathisch weiche Seite: "Sieh dich im Hemd von gestern Abend wie du lachend in der Küche stehst." Anstelle eines dummen Alpha-Gefasels offenbart der Freund von Niemand lieber ein angeknacktes Selbstwertgefühl: "Alles dreht sich, doch mit dir ist es gut, weil du mich immer dann genauso liebst, wenn ich es nicht tu'."
Ein Bruch mit dem knietiefen Zynismus bildet auch "Schwarz/Weiß". "Dieses Land zerstört sich selbst am besten. Dieses Land muss immer Grenzen testen. Deshalb reden hier rechte Menschen von Menschenrechten." Konzipiert als Kritik an Neoliberalismus und Rechtsradikalismus erscheinen die Themen des Songs dieser Tage fast unzeitgemäß. Zugleich erklingen altbekannte Aussagen enorm aktuell: "Heut' ist egal, ob ich enttäuscht bin von der Szene. Denn wir haben teurere Probleme." Moses Pelhams zwei Cents zum Thema weisen dagegen einen überschaubaren Mehrwert auf.
Noch weitaus entbehrlicher fällt die Gaststrophe von Face in "Unterwegs" aus. Unheilvolle Glockenschläge ziehen sich durch das Trap-Instrumental, als träfen sich die beiden zum Duell um Zwölf Uhr mittags. Wenn dem so wäre, dürfte Vega den Zweikampf mit Leichtigkeit für sich entscheiden. "Deine Jungs kamen mit Papas bezahltem Chauffeur, meine auf Katamaranen über's Meer", solidarisiert sich der Chef mit denjenigen, die nun spätestens in Pandemie-Zeiten überhaupt keine Lobby mehr haben. Sein Schützling antwortet mit Al-Qaida-Sprüchen und "Fick auf Abitur".
"Deutsche Rapper schauen mich an, als wär' ich gerade mit dem Ufo gelandet." Abgesehen von unaufdringlichen Trap-Elementen entzieht sich der Rapper wahrhaftig den vorherrschenden Trends. Auf "Locke" geht ihm jede Form von Glamour ab. Das macht ihn in den Augen seiner Anhänger greif- wie nahbar. Auf Dauer wirkt die permanente Trostlosigkeit aber auch eintönig. So gesehen trifft das "Interlude" einleitende Voice-Sample aus Clint Eastwoods "Gran Torino" präzise seinen Charakter. Vega bleibt der mürrische Kerl, der sich trotz seiner Verbitterung einen guten Kern bewahren konnte.
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