laut.de-Kritik

Die Berliner zeigen sich nachdenklicher und erwachsener.

Review von

Virginia Jetzt bleiben ein zweischneidiges Schwert. Ihre Gegner werden wieder genügend Angriffsfläche finden und ihnen naive Texte und endlose Kitschigkeit vorwerfen, während ihre weiblichen Fans sich genau dazu ihre Tränen aus den Augen weinen.

Neues Öl also ins Feuer beider Seiten, die sich gerne weiter streiten sollen. Alle anderen bleiben bitte einfach mitten drin und freuen sich über eine neue Ladung Virginia Jetzt. Denn was den Kitsch der jungen Berliner immer wieder erträglich macht, ist die Qualität der Songs. Und die ist auf ihrem zweiten Album besser als je.

Die jugendlich-naive Power-Pop-Schublade, in die man das Berliner Quartett früher noch gerne hinein steckte, bleibt auf ihrem neuen Werk weitgehend geschlossen. Die herrlich leichten Schwimmbad-Hits, mit denen früher die Herzen der Mädels aus der Mittelstufe geschmolzen wurden, sind bis auf "Wahre Liebe" nahezu untergegangen.

Auf "Anfänger" zeigt sich die Band von einer neuen nachdenklicheren und erwachseneren Seite. Schon im großartig rhythmischen Opener "Das Ganz Normale Leben" - sicher einer der besten Songs den die Band je geschrieben hat – singen sie "Manchmal frag ich mich, wer bin ich hier? Was mach ich hier? Und Wofür?" und geben damit den etwas düsteren Ton für die restliche Platte an.

Nörgler werden jetzt kontern, dass sie sich das schon immer fragen, vergessen dabei aber mal auf den Song zu hören. Egal wie man zu den Texten oder zu ihrem Teenie-Image stehen mag: auf dieser Platte sind zehn ausgereifte und top-produzierte Pop(!)-Songs zu finden, an denen man auch als Schweine-Rocker seine Freude haben kann. Das ist fein komponierte Freude, die keinem weh tut und das auch gar nicht möchte. Freude an Klasse-Arrangements, an einem Batzen Ohrwurm-Melodien, und, ganz wichtig: Freude an Eigenständigkeit. Denn "Anfänger" klingt nicht nach Tocotronic und nicht nach anderen großen Vorbildern. Es klingt einfach nach Virginia Jetzt. Wie viele Bands können heutzutage schon behaupten nur nach sich selbst zu klingen?

Klar ist das wie in "Der Himmel Über Berlin" immer noch hier und da etwas schmierig. Ja mei, aber jeder weiß doch, dass bei diesen Songs die Mädels weich werden. Dafür ist er doch gemacht. Diese Platte ist ein gehöriger Schritt nach vorne für die Band, ein guter Schritt nach vorne in ihre neue Stellung als deutsche Pop-Darlinge. So lange Virginia Jetzt die Idee mit dem schrecklichen Söhne Mannheims-Background-Gesang in "Hier Zu Sein" nicht weiter ausbauen, habe ich damit kein Problem. Denn diese Rolle steht ihnen verdammt gut.

Trackliste

  1. 1. Das Ganz Normale Leben
  2. 2. Liebeslieder
  3. 3. Du Musst Dahin, Wo's Weh Tut
  4. 4. Ein Ganzer Sommer
  5. 5. Der Himmel Über Berlin
  6. 6. Spurlos Verschwunden
  7. 7. Wahre Liebe
  8. 8. Weil Wir Anfänger Sind
  9. 9. Hier Zu Sein
  10. 10. In Der Finsternis

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