laut.de-Kritik
Die verrückten Nordlichter mit Pumuckl-Verschnitt akzeptieren keine Regeln.
Review von Michael EdeleAuch wenn man stellenweise den Eindruck hat, dass es sich bei Finnland um eine einzige, öffentliche Irrenanstalt handelt, muss man den Nordlichtern doch Respekt zollen, was für genial-verrückte Musiker sie immer wieder hervor bringen. Schon seit 20 Jahren an der mentalen Knusperfront dabei sind Waltari, angeführt von einem durchgeknallten Pumuckl-Verschnitt namens Kärtsy.
Auch auf "Blood Sample" hält sich das Quartett strikt an die eigenen Vorgaben: Es gibt keine Regeln. Das muss man schon beim einleitenden "Helsinki" erkennen, zu dem Kärtsy in bester Ivan Rebroff-Marnier auf Finnisch singt, die Gitarren aber fröhlich drunter weg grooven. Zum Chorus hin wechseln sie ins Englische und zaubern eine tolle Melodie aus dem Hut. Große Melodien sind auch das Markenzeichen von "Not Enough", wenn man die immer wieder eingestreuten Spoken Word-Samples entweder ignoriert oder einfach akzeptiert.
Wie groß das kommerzielle Potenzial der Band eigentlich ist, zeigen sie auch in Songs wie dem rockenden "Never", dem sehr poppigen "I'm In Pain", das vielleicht etwas unter dem Sprechgesang leidet, oder dem mit tollen Leads versehenen "Shades To Grace". Dass es aber auch eine ganze Spur härter geht, beweisen die Nordlichter im mächtig abzischenden "New York", das so rein gar nichts mit dem Song von Franky Boy zu tun hat. Der hier schon kurz auftretende Grindcore-Part findet seine Fortsetzung in "Exterminator Warheads".
Zwischenrein packen sie immer wieder ein paar punkige Sachen, die wie "Too Much Emptiness" auch schon mal an Type O Negative erinnern, oder wie "All Roads Will Lead To Rome" einfach nur gute Laune verbreiten. Mit "Fly Into The Light" und "Back To The Audio" greifen sie wieder in altbekannte Technokiste. Mit Erstgenanntem klappt das auch noch ganz gut, Letzteres geht allerdings schnell auf die Eier. Doch es geht unberechenbar wie immer weiter, denn für "Pigeons" greifen sie mal kurz auf Flamenco-Gitarren zurück.
Nach der schon erwähnte Grindcore-Attacke klingt "Darling Boy" fast wie eine Coverversion von Depeche Mode. Vor allem Kärtsys Stimme geht schwer in die Dave Gahan-Richtung. Mit französischen Straßencafé-Charme beginnt "Wide Awake" und bleibt auch bei den härteren Passagen eine verdammt entspannte Nummer. Mit leichten Triphop-Anleihen klingt die Scheibe mit "Julia" recht gemütlich aus und sollte keinen Fan enttäuscht zurück lassen.
"Blood Sample" ist somit ein gutes Album, aber nicht wirklich überragend.
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