laut.de-Kritik
Sex, Beatles, Kotze, De Staat, Folter, Idles, Disco, Iggy Pop!
Review von Manuel BergerAm einfachsten überzeugen Warmduscher auf YouTube. Zu "Midnight Dipper" drehen sie mit Plastikwaffen und rohem Fleisch aus dem Kühlregal ein Black Metal-Video. Für die zweite Single "Disco Peanuts" begleiten sie eine splitternackte Knetfigur in eine Techno-Hölle, inklusive Sex, Kotze und Folter. Dazu läuft Spät-70er-EDM à la Giorgio Moroder gemischt mit der Coolness der isländischen Electro-Punks Fufanu und unterfüttert von einer New Wave-Bassline: Nur eine der wundersamen Stilkreationen auf "Tainted Lunch".
Warmduscher gründeten sich 2015, eine Fusion aus Teilen der Fat White Family und Paranoid London. Die Mitglieder rotierten, der Stil wandelte sich von Anti-Blues-Noiserock ("Khaki Tears") über eine noch destruktivere Remix-EP ("I Got Friends", sowohl Ex-Sepultura-Drummer Igor Cavalera als auch Rave-DJ Shit Robot wirkten mit) bis hin zu etwas strukturierterem Post Punk ("Whale City"). Im dritten Akt wandeln sich Warmduscher nun erneut. Alle vorhergehenden Experimente sind irgendwie noch vorhanden, bewusster Lo-Fi schwebt über allem, doch nun stehen alle Zeichen auf: Tanz!
"We're gonna make 'em sweat! We got the whole place spinning", erklärt Fronter Clams Baker (FTFs Craig Louis Higgins Jr) in selbstbewussten Schnoddersprechsingsang. Am Opener "Tainted Lunch" hätte Elvis seine helle Freude, auch wenn er freilich nie so räudige Riffs und nervige Keyboardlines angebracht hätte. Nach knackigen zwei Minuten ist alles rum, und der "Midnight Dipper" stampft noch grooviger durch die Tü. Nach Black Metal klingt die Nummer entgegen des zugehörigen Videos überhaupt nicht – eher wie eine Mischung aus Beatles, De Staat und Idles.
Erlaubt ist alles - solange es groovt und Disco-Vibes aus dem vergangenen Jahrtausend reinpassen. Diese Devise gilt auch, als plötzlich Rapper ins Spiel kommt: "Burner" erinnert unweigerlich an John Otways "Bunsen Burner" – was den Killer-Refrain im zynischen Bad Taste Retro-Charme zusätzlich boostet. Als Ausgleich folgt in "The Chimp" ein 43-sekündiger Noise-Abriss, bevor der psychedelische Teil der Platte startet.
Bei "Precious Things" nehmen Warmduscher die Abzweigung gen Tito & Tarantula und spielen chillig schwülen Chicano Rock, behalten die Socken aber in den Sandalen. Härterer Psych wartet in "Blood Load", sofort fallen All Them Witches und King Gizzard & The Lizard Wizard ein.
Als Schutzpatron organisierten Warmduscher übrigens Iggy Pop. Der hält in "The Game" eine bedeutungsschwangere Eröffnungsrede. "Ain't no lies strong enough or money big enough to keep this thing down / No apologies, no whispers, no unsaid words or unwritten rules of the game / Here it comes – now and forever, baby! / Non-stop 'til it drops / A table for everyone / This tainted lunch – get it!." Hört auf den Godfather und haut rein!
3 Kommentare
Und ich dachte, es gäbe nur einen Warmduscher:
https://www.youtube.com/watch?v=yxvW8RZa8b4
Bei dem Bandnamen dachte ich schon, hier kommt eine typische Rezension über eine ganz dolle deutsche Indie-/Alternative-Pop-Entdeckung, die nach spätestens zwei Wochen komplett vergessen sein wird.
Die Besetzung und die Beschreibung mich dann aber sehr neugierig gemacht!
"Whale City" hat eine ganze Weiler rotiert, wird also ausgecheckt.