laut.de-Kritik
Ein Ausbruch aus dem Schema täte gut.
Review von Laura SprengerEin bisschen verloren sieht Weekend aus, wie er da, die Hände in den Hosentaschen, unter der Glasglocke steht. Aber eben auch so lässig und unspektakulär, wie nur er es kann. Der Albumtitel vermittelt da schon einen wesentlich optimistischeren Eindruck: "Für Immer Wochenende" hat der zweifache VBT-Sieger sein Werk getauft, eine Anspielung darauf, dass er seinen Job als Sozialarbeiter mittlerweile aufgegeben hat und nicht mehr nur noch "Am Wochenende Rapper" ist.
Zelebrierte Christoph Wiegand auf seinem Debütalbum noch vornehmlich die eigene Durchschnittlichkeit und seine kritische Einstellung gegenüber dem Rap-Zirkus, hat er von dieser "Ego-Perspektive" inzwischen die Nase voll. Also, fast: "Flucht Nach Vorn" sowie der Titeltrack werfen einleitend einen kleinen Blick auf das "Leben wie auf Klassenfahrt", das er seit knapp zwei Jahren führt. Kein Wunder: Statt sich mit Profis und Szene-Hampeln zu umgeben, schart der Gelsenkirchener lieber die guten, alten Freunde um sich.
Dazu gehören auch Emkay und Dobbo, die mit Weekend die Fortsetzung zu "Einer Für Alle" spendieren, die sich – Überraschung! – "Alle Für Einen" nennt: "Diese Welt wäre trostlos und scheußlich, ohne jemand, der da ist, wenn du ihn brauchst / So ein Glück, gute Freunde sind käuflich, für bisschen Geld bin ich da, also gib dich nicht auf!" In gewohnt sarkastisch-überspitzter Manier wird hier also über die kleinen und großen Dinge des Lebens philosophiert.
Womit wir auch schon beim ersten großen Problem von "Für Immer Wochenende" wären. Sich selbst und die ganze Welt nicht allzu ernst zu nehmen, wirkt zunächst einmal erfrischend, lustig, einfach nett. Dehnt man dieses Konzept aber mit penibler Konsequenz auf Albumlänge aus, stellt sich spätestens nach der Hälfte der Spielzeit eine latente Genervtheit ein, die sich mit zunehmender Dauer sogar in ausgewachsene Gereiztheit verwandelt. Einzeln betrachtet stellt sich keiner der Tracks als schlecht heraus, die meisten gestalten sich dank der treffenden Alltags-Beobachtungen und Überspitzungen unterhaltsam und unter Umständen sogar ganz witzig.
"Loser" fährt die aus "Schatz Du Arschloch" bekannte Beziehungsschiene, nur dass sich der männliche, etwas hängengebliebene Akteur diesmal selbst aufs Korn nimmt: "Ich hab' heut' viel geschafft – 'ne gute Schachtel Kippen und 'ne Staffel irgendwas." Ob Weekend auf "Alles Meins" und "An Sonn- Und Feiertagen Real" die Hype-Polizisten und Realkeeper aufs Korn nimmt oder bei "Deine Richtigen Hits", durchaus ein bisschen wehmütig, mit in die Jahre gekommenen Idolen abrechnet – das Rezept ist stets das gleiche.
Die einseitige Themen-Verarbeitung könnte man ja noch irgendwie, wenn auch nur aus reiner Sympathie, verschmerzen. Wäre da nicht der unfassbar eintönige Vortrag des Rappers. In einem Interview hat Weekend dieses Phänomen mal mit "Ich habe meinen Stil gefunden" beschrieben. Never change a winning team und so, schon klar. Aber was theoretisch schön anmutet, muss nicht unbedingt schön klingen, wenn man besagtes Konzept bis zum Erbrechen durchzieht. Obendrauf wiederholen sich die durchaus live-tauglichen Refrains gefühlte 13 Mal pro Track, bis sie selbst bei einem Alzheimer-Patienten hängen bleiben dürften.
Genug gemeckert. Obwohl? Da gabs doch noch dieses Feature von Sido, der in letzter Zeit verstärkt zu einer Art Garant für gähnend lahme Gastparts avancierte. Zu allem Überfluss gibt er auf "Für Immer Kind" als Gegenstück zu Weekends juveniler Frische den Rap-Opa, der sein fortgeschrittenes Spießertum abfeiert und seinem Enkel selbstgefällig entgegnet: "Ich weiß, da haste jetzt noch Angst vor [...] ich bin erwachsen und das ist gut so." Gratuliere, Digger. Alle deine Freunde freuen sich mit dir, oder so.
Was super zu "Happy Birthday" überleitet, das als erste Singleauskopplung ein nahezu perfektes Beispiel für Weekends Vorgehen liefert: Banale und jedem bekannte Alltags-Situation aufgreifen, diese durchaus anschaulich und möglichst ironisch wiedergeben, hier und da ein passendes Sample oder Scratches einfügen, um die etwas leiernden Beats aufzulockern – zack, bumm, fertig. Ich will dem Mann da gar keine fehlende Leidenschaft vorwerfen. Aber das altbewährte Schema dann und wann über Bord zu werfen, täte dem Longplayer extrem gut.
Das beweist unter anderem "Willkommen Zuhaus", eine authentische Hymne auf den Ruhrpott, Beton und Zusammenhalt, die ganz ohne Pathos und sogar fast ohne Ironie auskommt. Das kann man von dem Track mit Edgar Wasser und 3Plusss zwar definitiv nicht behaupten, Spaß macht der aber trotzdem. Um "20 Uhr 15" geraten nicht nur Fernseh-Formate wie "Biggest Loser", "Raus aus den Schulden" oder "Die Auswanderer" vor die Zielscheibe des Spotts, sondern vor allem die Konsumenten dieser fragwürdigen Unterhaltung, deren simples Motto "Mein Glück definiert sich über euer Pech" zu lauten scheint.
"Und ich werde nie mein Feuer verlieren, niemals, nicht jetzt, nicht an euch, nicht hier / Wir fahren irgendeinen anderen Film, ab jetzt ist Wochenende dann, wenn ich will", verspricht Weekend beim finalen "Sonnenbrand". Leider hat er sich mit seinem zweiten Album geradewegs in die Belanglosigkeit deutscher Mittelstands-Rapper katapultiert. Es ist ihm aber zuzutrauen – und gegönnt sowieso – dass Album Nummer drei mit mehr Varianz und Überraschungen aufwartet und nicht etwa "Nie Wieder Wochenende" heißen wird.
6 Kommentare
Musik für Craze beim Stalken vom Lautuser.
20 Uhr 15 mit Edgar Wasser und 3Plusss ist ziemlich geil
Kritik kann ich absolut nicht nachvollziehen. Ich finde jetzt nicht, dass diese "Ich nehme Nichts ernst" Thematik auf Albumlänge langweilig wird. Da finde ich Bushido Einheitsbrei z.B. weitaus langweiliger.
Die meisten Tracks sind ziemlich unterhaltsam und gerade in den Lines meistens recht originell Vor allem Beat-Technisch ist eine klare Weiterentwicklung zum Erstling zu erkennen.
Gerne mehr davon. Von mir gibt es 4 Sterne!
Laut bleibt sich ja auch treu, reviews zum an den kopf fassen
Ich finds eigentlich auch ganz gut. 2 Punkte sin eindeutig zu wenig. So schlecht ist das ganze einfach nicht.
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